Pressemitteilung

06.Dezember 2006

Arnold: Zwangsheirat geht uns alle an

Liberale haben diese Menschenrechtsverletzung früh thematisiert – In der Landtagsdebatte über die „Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Fach-kommission Zwangsheirat“ sagte die Sprecherin für Frauen und Gleichstellungsfragen Dr. Birgit Arnold:

„Was bedeutet Zwangsheirat für die Betroffenen? Was haben wir bisher dagegen unternommen? Was ist noch zu tun? Eines möchte ich besonders betonen: Zwangsheirat geht uns alle an. Sie ist weit mehr als eine private, kulturelle oder religiöse Angelegenheit. Zwangsheirat ist eine Menschenrechtsverletzung und damit eindeutig rechtswidrig. Zwangsheirat verletzt das Recht der Betroffenen auf eine selbst bestimmte Heirat, sie verletzt ihre persönliche Freiheit, ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit. Sie ver-stößt gegen das Grundgesetz und gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte. Und die UNO bezeichnete 2001 die Zwangsheirat als „moderne Form der Sklaverei.“ 80 Prozent der Frauen und Mädchen, die in einer Berliner Einrichtung Schutz vor Zwangsheirat gesucht haben, sind misshandelt oder missbraucht worden. Zwei Drittel dieser Opfer waren minderjährig. Und das ist nur die Spitze eines unbekannten Eisberges. Damit erfüllen Zwangsverheiratungen oft nicht nur die Tatbestände der Nötigung, der Freiheitsberaubung, der Körperverletzung und Vergewaltigung sondern auch des Kindesmissbrauchs. Die Folgen einer Zwangsheirat sind drastisch: In der Regel entsteht eine absolute Abhängigkeit vom Ehemann. Einschränkungen im Lebensstil, Abbruch einer Ausbildung, Überwachung, psychische und physische Gewalt sind an der Tagesordnung. Und das passiert mitten in Deutschland, in unserer Nachbarschaft. Deshalb geht Zwangsheirat uns alle an. Was ist bisher dagegen unternommen worden? Der Landesverband der Liberalen Frauen hat dieses Problem früh thematisiert. Es wurde dann von unseren Justizministern Corinna Werwigk-Hertneck und Prof. Dr. Ulrich Goll aufgegriffen und im Jahr 2004 eine Bundesratsinitiative Baden-Württembergs zur Bekämpfung der Zwangsheirat gestartet. Zum einen durch das so genannte Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz, das im Februar 2006 vom Bundesrat ver-abschiedet worden ist, zum andern durch die Einsetzung einer Fachkommission Zwangsheirat unter Federführung des Justizministeriums. Die Ergebnisse der Kommission liegen jetzt vor und werden zurzeit in den Ministerien zur Erstellung einer Gesamtkonzeption beraten. Das ist wieder einmal einzigartig in der Bundesrepublik: Baden-Württemberg ist das erste Land, das sich so intensiv mit dieser Problematik auseinandersetzt. Was ist noch zu tun? Jede Menge, meine Damen und Herren! Wir brauchen eine Stärkung der Opferrechte vor allem im Ausländer- und Sozialrecht. Wir brauchen einen größeren Schutz für die Opfer durch die Ausweitung von Betreuungs- und Hilfsangeboten. Denn eine Frau, die sich einer Zwangsheirat widersetzt, beschmutzt aus der Sicht ihrer Verfechter die Ehre der Familie. Das bedeutet in den meisten Fällen den Verlust des gesamten familiären und sozialen Umfeldes, im schlimmsten Fall schwebt eine solche Frau in akuter Lebensgefahr. Wir brauchen noch viel mehr Information und Aufklärung in der Schule und in der Öffentlichkeit. Denn gerade die Schule ist für viele junge Mädchen der einzige Raum, in dem sie ohne die Überwachung der Familie agieren können. Lassen Sie uns gemeinsam, vor allem auch wir frauenpolitische Sprecherinnen, daran arbeiten, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben macht, dass unsere Ministerien in der Sache noch aktiver werden, dass das Thema weiter auf der Tagesordnung bleibt. Denn Zwangsheirat geht uns alle an!“ Hans Ilg Pressesprecher

Weitere Pressemitteilungen zum Thema