Bullinger: Das schnelle Internet ist die Aorta für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg
In einer Landtagsdebatte über die „Breitbandstrategie des Landes Baden-Württemberg“ sagte der Sprecher für den Ländlichen Raum der FDP-Landtagsfraktion Dr. Friedrich Bullinger:
„Baden-Württemberg ist nicht zuletzt aufgrund seiner auch die ländlichen Räume unterstützende Wirtschafts- und Strukturpolitik ein Bundesland, das in der ganzen Fläche eine florierende Wirtschaft hat. Die Förderung der ländlichen Räume in den letzten 50 Jahren hat dazu geführt, dass beispielsweise Oberschwaben, Schwarzwald-Baar oder Hohenlohe-Franken mit die innovativsten Unternehmen haben, was auch in den niedrigen Arbeitslosenzahlen zum Ausdruck kommt. Diese prosperierenden Regionen leiden heute schon unter Facharbeitermangel. Ziel muss es sein, gleichwertige Verhältnisse für Handwerk, Industrie und Dienstleistungsunternehmen in ländlichen Räumen und in Ballungsgebieten zu bieten. Waren im letzten Jahrhundert Autobahnen und Bildungseinrichtungen die Motoren der Wirtschaft, ist es heute das schnelle Internet.
Baden-Württemberg hat dank schwarz-gelber wie auch grün-roter Bemühungen bei der Entwicklung der Breitbandanschlüsse eine gute Ausgangsposition. Rund drei Viertel der Haushalte in Baden-Württemberg verfügen über mindestens 50 Megabit pro Sekunde, allerdings mit extremen Schwankungsbreiten in ländlichen Regionen. Über die Hälfte der Unternehmen im Land beklagt eine unzureichende Versorgung. Selbst vor dem Hintergrund, dass der Südwesten im Vergleich der deutschen Länder hinter den drei Stadtstaaten den Spitzenplatz belegt – übrigens weit vor Bayern. Wir müssen jetzt verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, die Versorgung rasch zu verbessern.
Wenn im Rathaus ein Unternehmen wegen einer möglichen Ansiedlung anruft und damit neue Arbeitsplätze schaffen will, ist die erste Frage, die es stellt, nicht:
- wieviel Biotope hat der Ort oder:
- gibt es auch Juchtenkäfer, sondern es fragt:
- wie schnell ist Euer Datennetz. Es fragt weiter,
- wie ist der Anschluss zum örtlichen Straßen- und Autobahnnetz,
- wie schaut es mit dem ÖPNV aus,
- habt Ihr auch familienfreundliche Einrichtungen, wie Kindergärten, Schulen und
- sind die wichtigsten Dinge für die Daseinsvorsorge vorhanden?
Bei der Stabilisierung der ländlichen Räume dürfen wir die Randgebiete der Metropolregionen nicht außer Acht lassen. Standortfaktor Nr. 1 ist aus Sicht der Unternehmen das schnelle Internet. Nur wenn im hinteren Schwarzwaldtal, im kleinen Weiler an der unteren Jagst oder in einer kleinen Ortschaft im Odenwald das schnelle Internet angeboten werden kann, werden sich dort die Betriebe halten oder ansiedeln. Und die Arbeitnehmer treffen dann mit ihren Familien auch die Entscheidung, hier zu wohnen. Sind wir doch mal ehrlich, wir alle haben die rasante Entwicklung und die Wichtigkeit des schnellen Internets unterschätzt. Der Aufbau eines Stromnetzes, der Gasversorgung, der Wasserver- und Abwasserentsorgung oder auch der Ausbau der Straßen benötigten Jahrzehnte. Die Entwicklung des Internets verlief jedoch explosiv. Deshalb müssen wir alles dafür tun, mit Hilfe einer Breitbandstrategie nicht wie bisher zu kleckern sondern jetzt zu klotzen.
Keiner soll sich herausreden – so frage ich die rot-grünen Kollegen, was habt Ihr während Eurer Regierungszeit 1998 bis 2005, was habt Ihr schwarz-roten Kollegen 2005 bis 2009 in Berlin hierfür getan? Und ich gebe zu, es wurde auch bei Schwarz-Gelb im Bund in der letzten Legislatur zu wenig dafür getan. Ich begrüße es außerordentlich, dass sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt hat, bis 2018 alle Haushalte in Deutschland mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde im Netz auszustatten. Erfreulich ist auch die Zusage der Industrie, den Ausbau auf 80 Prozent der Haushalte selbst zu finanzieren. Dass die Kabelnetzbetreiber und Telekomunternehmer im kommenden Jahr acht Milliarden Euro in den Ausbau der Breitbandinternetversorgung stecken wollen, ist ebenfalls der richtige Ansatz.
Als Fazit sage ich, das schnelle Internet ist die Aorta für die Zukunft des exzellenten Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg. Es ist unsere vordringliche Aufgabe, bisher unterversorgte Gebiete an das Breitbandnetz anzuschließen. Ich sage anzuschließen und nicht nur Leerrohre zu verlegen. Werte Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße auch die verbesserten Anstrengungen der jetzigen Regierung, aber ich frage Sie schon, warum haben Sie nicht schon in den letzten drei Regierungsjahren mehr dafür getan? Kurz vor der Landtagswahl riecht dies sehr nach Stimmenkauf. Und es zeigt, dass Sie das Problem nicht ernst genommen haben. Für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg, für die Stabilisierung der ländlichen Räume insgesamt brauchen wir den schnellen Ausbau des Breitbands. Dabei müssen die Leitprinzipien Wettbewerb und Technologieoffenheit gewahrt werden. Gerade auch bei den ländlich geprägten Gemeinden, die bisher nicht antragsberechtig waren, weil sie am Rande eines Dichtungsraumes liegen und somit formell nicht im ländlichen Raum, muss die Landesregierung nachsteuern.“