Dialekte sind Kulturgut und machen schlau!
Sprache ist mehr als ein Kommunikationsmittel – Sprache ist Kultur, Tradition, Gefühl und Heimat. Egal an welchem Ort der Welt wir uns befinden, wenn wir unsere Muttersprache hören, weckt das ein Gefühl von Vertrautheit und Zugehörigkeit. Sprache verbindet. Doch weltweit ist eine Vielzahl an Sprachen gefährdet. Am heutigen Internationalen Tag der Muttersprache erinnert die UNESCO an die bedrohten Sprachen und wirbt für sprachliche Vielfalt. Seinen Ursprung hat der Tag der Muttersprache in dem heutigen Bangladesh. Nach der Unabhängigkeit von British-Indien beschloss die Regierung von Pakistan im Jahr 1952 Urdu zur Amtssprache zu erklären, obwohl diese von lediglich drei Prozent der Bevölkerung gesprochen wurde. Am 21. Februar kam es zu Protesten, da insbesondere in Ostpakistan nahezu ausschließlich Bengalisch gesprochen wurde. Unter anderem diese Unterdrückung sprachlicher und kultureller Vielfalt führte 1971 schließlich zur Unabhängigkeit Ostpakistans, dem heutigen Bangladesh. Mit dem Gedenktag am 21. Februar macht die UNESCO jedoch nicht nur auf unterdrückte, sondern auch auf schlichtweg bedrohte Sprachen aufmerksam. Diese aufrechtzuerhalten bedeutet, sprachliche und kulturelle Vielfalt zu bewahren.
Baden-Württemberg – Land der Dialekte
Dass Sprache ein Ausdruck kultureller Vielfalt ist, wird in kaum einem Bundesland so deutlich wie in Baden-Württemberg. Ob schwäbisch-alemannische, fränkische oder rheinfränkische und kurpfälzische Dialekte, sie alle haben unser Bundesland geprägt. Dialekte sind für viele Baden-Württemberger ein Ausdruck von Heimat und regionaler Identität. Vor allem aber sind sie ein Kulturgut! Mundarten bestechen durch einen Reichtum an Wörtern, Redewendungen und sprachlichen Bildern, die es in der Standardsprache in dieser Form schlichtweg nicht gibt. Um wieviel ärmer wäre der (schwäbische) Sprachalltag bloß ohne Wörter wie Muggaseggele oder Redewendungen wie “Net gmotzt isch globt gnug“? Dialekte sind somit Ausdruck der Vielfalt unseres Bundeslandes, eine Vielfalt, die jedoch zunehmend gefährdet ist.
Dialekt als Bildungsmotor statt Bildungshemmnis
Das Alemannische wird bereits im UNESCO Weltatlas der bedrohten Sprachen geführt. Doch wird ein Dialekt nicht mehr gesprochen, dann ist er für immer gestorben und es geht ein Teil regionaler Identität verloren. Dass immer weniger Menschen in Baden-Württemberg mit einem Dialekt aufwachsen resultiert u.a. aus vermehrten Wohnortwechsel und eine zunehmende Verwendung der Standardsprache in den Medien. Hinzu kommt: Lange Zeit galt das Sprechen eines Dialekts als Bildungshemmnis. Dieser oftmals klischeebehaftete Ruf haftet den Dialekten scheinbar immer noch an: Wie eine aktuelle Studie amerikanischer Ökonomen zeigt, bekommen Dialektsprecher in Deutschland rund 20 Prozent weniger Gehalt– ein Wert vergleichbar mit dem Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern.
Dabei ist der Dialekt kein Bildungshemmnis, im Gegenteil: Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Dialektsprecher haben eine bessere Auffassungsgabe als monolingual aufwachsende Kinder. Das Gehirn wird analog zum Erlernen einer Fremdsprache trainiert, sodass die Kinder, die mit Schriftsprache und Dialekt aufwachsen, besser mit Sprache umgehen können. Eine Untersuchung aus Bayern bekräftigt dies und attestiert den Kindern, die Schriftsprache und Dialekt sprechen, eine etwa 30 Prozent geringere Fehlerquote in der Rechtschreibung.
Fraktionsübergreifende Initiative für sprachliche Vielfalt
Dialekte machen also schlauer, sind identitätsstiftend und Ausdruck von Heimat und Vielfalt. Für uns als FDP/DVP Fraktion sind das gute Gründe, um uns gemeinsam mit den Fraktionen der CDU, SPD und den Grünen in einer Dialektinitiative für die Förderung und Stärkung des Dialekts einzusetzen.
Dabei geht es uns nicht darum, Vorschriften oder Verbote zu erteilen, sondern ein „Sowohl-als-auch“ zu fördern. Mit der fraktionsübergreifenden Anfrage haben wir zunächst Informationen für eine Bestandsaufnahme gewonnen.
Wie steht es um die Mundarten in Baden-Württemberg? Welche Institutionen und Einrichtungen widmen sich der Dialektforschung in Baden-Württemberg? In einem Gespräch mit über 20 Mundart-Künstlern und –expertinnen aus ganz Baden-Württemberg wurden dann bereits konkrete Vorschläge und parlamentarische Initiativen erörtert, um insbesondere Kinder und Jugendliche für den Dialekt zu begeistern. So wurde beispielsweise die Idee diskutiert, den Aspekt regionale Kultur im Rundfunk-Staatsvertrag nach dem Vorbild der Schweiz und Österreich zu verankern. Auch sollen Lehrerinnen und Lehrer für die Thematik sensibilisiert werden, um über den Unterricht Kinder und Jugendliche zu erreichen. Denn, und da sind sich die Experten und Fraktionen einig: Der Dialekt ist ein schützenswertes Kulturgut