Die Bewältigung der Corona-Krise stellt alle Akteure der Sozial- und Gesundheitsberufe vor große Herausforderungen. Wir fordern die Landesregierung auf, zusammen mit der Selbstverwaltung umgehend zu prüfen, welche bürokratischen Lasten zumindest vorübergehend beiseite geschoben werden können. Die Handelnden sollen sich auf ihr originäres Tun konzentrieren können und nicht mit unnötiger Bürokratie belastet werden. Ein Beispiel hierbei ist für uns die Umsetzung der generalisierten Pflegeausbildung mit der Pflichtleistung Pädiatrie, die aufgrund der sehr geringen Kapazitäten derzeit so nicht umgesetzt werden kann. Hier braucht es ein Moratorium, dass vorübergehend auch ohne diesen Praxiseinsatz ein Abschluss gemacht werden kann, wenn danach keine Tätigkeit in der Pädiatrie angestrebt wird. Schon jetzt hat sich gezeigt, dass wir mehr Pflegefachfrauen und -männer ausbilden könnten, wenn dieser Engpass beseitigt und die Kapazitäten in den Pflegefachschulen zügig erhöht würden.
Das neuartige Coronavirus “SARS-CoV2”, das die Atemwegserkrankung “COVID-19” auslöst, hat zu umfangreichen Einschränkungen unseres Gemeinwesens geführt. Im Vordergrund steht der Schutz der Gesundheit und die Unterstützung aller im Gesundheitswesen Verantwortlichen. Freiheit heißt gerade jetzt, Verantwortung zu übernehmen, damit nicht unnötig Menschen krank werden. Entsprechend haben Bund und Länder Maßnahmen zur Verlangsamung der weiteren Verbreitung des Coronavirus getroffen. Unser Dank gilt in diesen Tagen allen Menschen, die Verantwortung in der medizinischen und pflegerischen Betreuung, im Handel, in Unternehmen, Organisationen und Vereinen oder in vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten übernehmen. Mit großer Sorge blicken wir auch auf die gravierenden wirtschaftlichen und existenziellen Auswirkungen, die mit den erheblichen Einschränkungen verbunden sind.
Mit den getroffenen Maßnahmen werden insbesondere Risikogruppen geschützt. Menschen mit Vorerkrankungen sind besonders gefährdet schwer zu erkranken. Es ist die Aufgabe aller, diesen Menschen solidarisch zur Seite zu stehen. Das gilt auch, wenn Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen geschlossen werden müssen oder Pflegeheime für Besucher gesperrt werden. Diese Einrichtungen und die Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren und arbeiten, müssen, ebenso wie Unternehmen, finanziell abgesichert werden.
Die FDP/DVP-Fraktion fordert daher einen Rettungsschirm für Unternehmen, Institutionen und Organisationen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft.
Die Sozial- und Gesundheitswirtschaft ist eine wichtige Säule der Gesellschaft und von außerordentlicher Bedeutung zur Bewältigung der Corona-Krise, sie muss daher in besonderer Weise unterstützt werden.
Die FDP/DVP-Fraktion unterstützt die Landesregierung bei der Bewältigung der Krisensituation und schlägt u.a. folgende Maßnahmen vor:
Das gesamte Gesundheitssystem hat gestiegene Kosten für Desinfektionsmittel und Schutzkleidung sowie Atemmasken zu tragen. Zudem kommt es an vielen Stellen zu Engpässen bei diesen in Krankenhäusern, in Praxen und bei ambulanten Diensten dringend benötigten Materialien. Bund und Land sowie die Selbstverwaltung und die Krankenkassen sind gefordert, geeignete Lösungen zu finden, um diese Engpässe zu überwinden. Das Personal in der Gesundheitswirtschaft muss so gut wie möglich vor Infektionen geschützt werden. Dafür müssen die notwendigen Materialien in ausreichender Menge beschafft oder hergestellt, strategisch verteilt und krisenbedingter Mehrbedarf finanziert werden. Die Landesregierung ist in der Pflicht, zusammen mit der Wirtschaft die Potenziale der Ausstattung mit Schutzkleidung zu eruieren und zu stärken. Es braucht leistungsfähige Versorgungsstrukturen. Schutzkleidung muss vorhanden sein, wo immer sie benötigt wird.
Wir begrüßen, dass sich das Land mit den Krankenhäusern, den Katastrophenschutzverbänden und der Bundeswehr auf eine weitere Verschärfung der Lage vorbereiten. Wir erwarten, dass kurzfristig Wege gefunden werden, um die Zahl der Krankenhausbetten zu erhöhen, Beatmungskapazitäten für Corona-Patienten bedarfsgerecht auszuweiten, weiteres Personal zu gewinnen und das medizinische Personal flexibel in den verschiedenen Einrichtungen einzusetzen. Wenn Akutkliniken zusätzliche Kurzzeitpflegeeinrichtungen für die Dauer der Pandemie vorsehen, insbesondere wenn Pflegeeinrichtungen keine Aufnahmen vornehmen können, muss die Abrechnung von Kurzzeitpflegesätzen gewährleistet sein. Hierzu gehört auch ein deutlich beschleunigtes und vereinfachtes Anerkennungsverfahren ausländischer Bildungsabschlüsse, damit diese Menschen schnell im Hilfesystem arbeiten können.
Die Krankenhäuser haben erhebliche Einnahmeausfälle aufgrund von verschobenen Eingriffen zu verkraften, um Notfallbetten für Corona-Fälle freizuhalten. Zudem kommen Kosten aufgrund von Überstunden und anderen personalwirtschaftlichen Maßnahmen auf die Häuser zu. Wir begrüßen, dass Bund, Krankenkassen und das Land erste Gelder zur Verfügung stellen, um es den Krankenhäusern zu ermöglichen, die Sonderbelastungen zu tragen. Wir fordern, dass kein Krankenhaus aufgrund des Einsatzes zur Bewältigung der Krise wirtschaftlichen Schaden nehmen darf. Die vorgeschlagenen bzw. ergriffenen Maßnahmen sind zu evaluieren und erforderlichenfalls auszuweiten. Wir fordern, dass bisher rein privat agierende Kliniken mit Zulassung nach § 30 der Gewerbeordnung für die Erbringung von Kassenleistungen vorübergehend zugelassen werden, um somit die Plankrankenhäuser zu entlasten. Dies schafft zusätzliche Kapazitäten und sichert die Existenz der privaten Einrichtungen. Alternativ ist auch die bayerische Lösung denkbar, dass das Land diese Kapazitäten mit rund 400 Betten und 2.000 Beschäftigten für die Versorgung von Covid-19 Patienten vorhält.
Noch ist nicht absehbar, wie sich die Krise auf einzelne Arzt- und Zahnarztpraxen auswirkt. Es ist zu erwarten, dass es aufgrund der Verschiebung von Behandlungen in verschiedenen Fachgebieten zu Einnahmeausfällen kommen wird, gleichzeitig werden aufgrund zusätzlicher Bedarfe durch die Eindämmung des Virus an anderen Stellen Mehrbedarfe auftreten. Therapeuten (bspw. Ergo-, Psycho- und Physiotherapeuten oder Logopäden) erleben Umsatzeinbrüche aufgrund von verunsicherten und zu recht vorsichtigen Klienten. Zudem fehlt diesen wichtigen Anbietern der Gesundheitsversorgung häufig die unerlässliche Schutzkleidung, um ihre Patienten und sich selbst zu schützen. Sie bedürfen der Unterstützung. Hier sind das Land, der Bund und die Selbstverwaltung gefordert, die für unsere Gesellschaft wichtigen Strukturen der Gesundheitswirtschaft zu stützen und dafür Sorge zu tragen, dass sie erhalten bleiben. Ihnen sind wie anderen Kleinunternehmen Zuschüsse und Liquiditätshilfen zu gewähren.
Ein besonderes Augenmerk ist auf die Belange der Zahnärztinnen und Zahnärzte zu richten. Bedingt durch die besonderen Umstände der Erbringung ihrer Heilkunst ist ein guter Infektionsschutz unabdingbar. Es ist umgehend sicherzustellen, dass Schutzausrüstungen zur Verfügung stehen. Die Landesregierung hat die Versorgung zusammen mit der Selbstverwaltung zu koordinieren. Zahnarztpraxen müssen darüberhinaus in vollem Umfang Zugang zu den Instrumenten der Existenzsicherung haben.
Aktuell zeigt sich, dass die Verfügbarkeit von Tests auf den neuartigen Coronavirus begrenzt sind und sich ein enormer Arbeitsstau, unter anderem bei der Analyse in den Laboren, entwickelt. Hier müssen die Laborkapazitäten und die Zahl der Testmöglichkeiten erhöht werden. Zugleich fordern wir, die Möglichkeiten für Antikörpertests aufzubauen und bedarfsgerecht zu erweitern.
Eine Möglichkeit, die allgemeinmedizinische Versorgung aufrecht zu erhalten und gleichzeitig die empfohlenen Schutzmaßnahmen und Sicherheitsabstände einzuhalten, bietet die Telemedizin. Im Gesamtkontext Gesundheit können aber auch die Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker wichtige Beiträge leisten, wenn es um allgemeine Gesundheitsleistungen und die Prävention geht. Sie verfügen über eine besondere Expertise, insbesondere in den Bereichen gesunde Lebensführung und Naturheilkunde. Eine erste Mitgliederumfrage des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker Landesverband Baden-Württemberg zur medizinischen Mithilfe hat ergeben, dass rund 50 % der Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker zusätzlich zur Ausbildung und Zulassung als Heilpraktiker einen anerkannten Abschluss in anderen medizinischen Vorberufen haben. Diese Potenziale stehen unmittelbar zur Verfügung.
Die Sozialwirtschaft steht vor enormen Herausforderungen, da hier häufig Risikogruppen versorgt werden. Frühförderstellen, Tagesbetreuungseinrichtungen, Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM), Therapieeinrichtungen und andere Angebotsformen der Eingliederungshilfe können nicht in gewohnter Weise weiterarbeiten. Zugleich laufen Mietverträge weiter, Lohnkosten und weitere Kosten fallen an. Die Sozialleistungsträger zahlen weiterhin in vollem Umfang. Die Angebote der Sozialwirtschaft sind wichtig für Menschen mit Beeinträchtigungen und deren Teilhabe. Wir fordern die Landesregierung auf, in Koordination mit den Leistungsträgen diesen Teil der Sozialwirtschaft zu stützen, damit die wichtigen Strukturen erhalten bleiben und die qualifizierten Kräfte gehalten werden können, damit sie nach Bewältigung der Krise wieder zur Verfügung stehen. Wir setzen uns dafür ein, dass alternativ (bspw. digital) erbrachte Leistungen und pauschalierte Leistungen vergütet werden sowie Zuschüsse und Liquiditätshilfen gewährt werden.
Pflegeheime und Anbieter von besonderen Wohnformen (bspw. Wohnheime für Menschen mit Behinderungen) sowie ambulante Anbieter sind aufgefordert, ihre Klienten, aber auch ihre Mitarbeitenden, zu schützen. So sind sie gefordert, besondere Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen und verstärkt Schutzmaßnahmen durchzuführen, um insbesondere den Personenkreis der gefährdeten Personen zu schützen. Viele Pflegeheime können derzeit keine neuen Aufnahmen vornehmen, weil keine Schutzausstattung zur Verfügung steht. Durch die zusätzliche Belastung sind die ohnehin finanziell knapp ausgestatteten Systeme unter enormem Druck, ihr Angebot aufrecht zu erhalten. Wir fordern die Landesregierung, den Bund, die Pflegekassen und die Sozialleistungsträger auf, die höheren Kosten aufzufangen, damit die für unsere Gesellschaft wichtigen Strukturen erhalten bleiben und dauerhaft ihre Leistungen erbringen können.
Bereits vor den Einschränkungen, die mit den Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus verbunden sind, hatten es Menschen mit Beeinträchtigungen schwer auf dem Arbeitsmarkt. Sie sind in vielen Fällen auf die Angebote der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen oder Inklusionsunternehmen angewiesen. Aufgrund der aktuellen Krise sind deren Angebote verständlicherweise nicht verfügbar. Wir fordern die Landesregeriung und die Sozialleistungsträger auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Strukturen in ihrer bewährten Form erhalten bleiben, um nach der Pandemie wieder die Arbeit aufnehmen zu können.
Gewalt im häuslichen Umfeld stellt auch ohne soziale Distanzierung ein ernstzunehmendes Problem in unserer Gesellschaft dar. Doch ohne gesellschaftliche Routinen fehlt ein entscheidendes Kontrollinstrument. Deshalb müssen Schutzräume jetzt noch stärker zur Verfügung gestellt werden. Frauenhäuser stellen einen wichtigen Schutzraum vor häuslicher Gewalt zur Verfügung. Ihre Arbeitsmöglichkeiten werden durch die Corona-Krise erheblich eingeschränkt. Das bedroht auch ihre wirtschaftlichen Grundlagen. Wir fordern die Landesregierung und die Stadt- und Landkreise auf, auch in dieser Zeit verstärkt gegen Kindeswohlgefährdungen und häusliche Gewalt vorzugehen und den Einrichtungen und Institutionen mit Finanzhilfen und flexiblen Lösungen zur Seite zu stehen.
Obdachlose und Drogenabhängige gehören zu den Schwächsten der Gesellschaft. Ihre Gesundheit ist besonders von Infektionen bedroht. Sowohl ihre Gesundheit als auch ihre soziale Absicherung sind entsprechend angespannt. Durch diese Vorbelastung ist ihre Gesundheit besonders von Infektionen bedroht und eine soziale Sicherung noch schwieriger sicherzustellen. Wir fordern die Landesregierung und die Gemeinden auf, die für diese Menschen tätigen Personen besonders zu unterstützen, um in geeigneter Weise Maßnahmen zum Gesundheitsschutz für Obdachlose und Drogenabhängige zu ergreifen. Dazu gehört es, die Angebote der anonymen Sprechstunde beim Gesundheitsamt bedarfsgerecht auszuweiten, Einzelunterkünfte zur Verfügung zu stellen und das Streetworking und Gesundheitsangebote aufrecht zu erhalten, während Treffpunkte geschlossen werden müssen.
Schließlich geht es auch um Verständlichkeit für alle bezüglich der Maßnahmen und Verhaltensweisen in der Corona-Krise. Deshalb sollen alle Informationen auch in leichter Sprache und in Gebärdensprache zur Verfügung stehen.