Pressemitteilung

12.August 2021

Rülke: 100 verlorene Tage für Baden-Württemberg

Nach Koalitionsvertrag ohne finanzielle Aussagen war die Schuldenaufnahme ohne Not der denkbar schlechteste Start in eine Koalition


Anlässlich der ersten 100 Tage der neuen Grün-schwarzen Koalition erklärt der Vorsitzende der FDP/DVP-Fraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke:

„Die erste Bilanz nach 100 Tagen lässt nichts Gutes für die Zukunft erahnen. Aus der alten Komplementärkoalition ist eine Zweckehe zu Lasten Dritter geworden. Man hat

  • Einen Nachtragshaushalt verabschiedet, den nicht nur wir, sondern sogar der Rechnungshof als verfassungswidrig bezeichnet. 2,5 Milliarden Volumen, davon 1,2 Milliarden Schulden, und das bei über 20 Milliarden an vorhandener Liquidität sowie einem festgestellten Kassenüberschuss von 3,2 Mrd aus 2020. Seit 2011 hat man die Zahl der Regierungsbeamten von 2900 auf 4000 erhöht – wieder zusätzliche Stellen im Nachtrag. Und man hat aus Koalitionsarithmetik ein zusätzliches Tiny-House-Ministerium sowie eine Rekordzahl an Staatssekretären geschaffen. Die FDP/DVP-Fraktion wird gegen diesen Nachtrag Klage beim Verfassungsgerichtshof einreichen.
  • Einen Regierungschef, der die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen nicht mehr gewährleisten will und somit die Gewaltenteilung in Frage stellt. Die FDP bekennt sich zum Prinzip der Verhältnismäßigkeit und zur Gewaltenteilung.
  • Einen Regierungschef, der es nicht für wichtig hält, mehr Lehrer einzustellen, denn angeblich gelte ja ´Viel hilft nicht viel´. Der nicht dafür sorgt, dass die Schulen Luftfilter erhalten. Der die Studenten ganz aus dem Blick verliert, so dass er sich bei ihnen entschuldigen muss. Der in der Summe eine Bildungskatastrophe verursacht. Wir brauchen nach Corona einen Schwerpunkt auf Bildung, um die Rückstände wieder aufzuholen.
  • Der Bildungsbereich hat also seit Jahren eine Vielzahl von Baustellen. Ich habe nicht den Eindruck, dass die ersten 100 Tage genutzt wurden, um diese strukturiert anzugehen. Auch Grundsatzentscheidungen, die den Menschen im Land Sicherheit geben, wie die Abgabe einer Bildungsgarantie fehlen. Eine landesweite Erhebung der Lernrückstände fehlt, das Förderprogramm „Lernen mit Rückenwind“ kommt erst nach den Herbstferien. Die Lernbrücken sind, wenig flexibel, nur für die letzten beiden Wochen geplant. Dafür entlässt man weiter in den Sommerferien Lehrer. Bei den mobilen Luftfiltern fand man diese monatelang für unnötig, dann legt man auf massiven politischen Druck ein halbherziges Förderprogramm auf, welches hinten und vorne nicht reichen wird. Und falls sie beschließen sollte, wieder ins Homeschooling zu gehen, fehlt die Software – eine Alternative zum untersagten Microsoft 365 fehlt weiter.
  • Im Digitalbereich kann die Landesregierung weiterhin nur Bescheide übergeben – Geld fehlt aber trotzdem. Innovative Ideen wie der Gigabit-Voucher wird dagegen nicht umgesetzt. Vom angekündigten Masterplan ist noch nichts zu sehen, die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes wird man absehbar reißen. Man hat die Chance verpasst, dieses Thema mit einem eigenen Ministerium stärker voranzubringen.
  • Eine Kennzeichnungspflicht und ein Antidiskriminierungsgesetz als Kriegserklärung an die Polizei auf den Weg gebracht. Noch nie gab es so viel Vertrauensverlust bei den Staatsdienern. Die FDP/DVP will unseren Polizisten so etwas ersparen.
  • Beim Klimaschutz den falschen Fokus. Dieser kann nur auf europäischer und globaler Ebene gelingen. Dafür brauchen wir Instrumente wie den Emissionshandel und CO2-Mengenziele, die einen CO2-Preis zum Ziel haben, der deutlich spürbarer ist als im Moment. Außerdem müssen wir die Menschen mitnehmen. Das heißt, sie brauchen eine Wohlstandsperspektive. Mit Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen können die Arbeitsplätze in der Automobil- und Zulieferindustrie erhalten werden und gleichzeitig das Klima geschützt werden. Eine reine Fokussierung auf die batterieelektrische Mobilität vernichtet Arbeitsplätze und hilft dem Klima nicht. Reine kosmetische Maßnahmen, die dirigistisch erzwungen werden, wie eine Solarpflicht auf allen Dächern in Baden-Württemberg sowie Windräder an Stellen wo kein Wind weht bringen nichts und verärgern nur die Bevölkerung. Hier ist die Landesregierung auf dem Holzweg.
  • Bei Corona ein höchst widersprüchliches Agieren an den Tag gelegt. Ministerpräsident Kretschmann wollte die Inzidenz als entscheidendes Kriterium erhalten, Minister Lucha wollte sie abschaffen. Ministerpräsident Kretschmann wollte Tests für Ungeimpfte kostenpflichtig machen, Herr Habeck will sie weiter kostenlos anbieten. Was gilt nun? Die FDP setzt auf Impf- und Hospitalisierungsquoten, nicht auf Inzidenzen. Es darf keine Einschränkungen mehr an Freiheitsrechten für Geimpfte und Genesene geben. Wenn jeder ein Impfangebot hat, dann können Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen nicht mehr verlangen, dass die Solidargemeinschaft die Tests finanziert. Aber wir wollen keine Impfpflicht. Unser Ziel ist klar: Kein Lockdown mehr.
  • Die empfundene zu geringere Bedeutung des Sozialministeriums versucht Minister Lucha nun mit einer Personalinfusion von unten nach oben, also aus dem Landesgesundheitsamt ins Ministerium zu begegnen. Angeblich, um Expertise zu bündeln. Als ob in Zeiten der Digitalisierung eine räumliche oder organisatorische Nähe hier noch irgendeine Bedeutung hat.
  • Beim Wahlrecht hat man das Thema Wahlalter 16 erst einmal verschlafen, und es bleibt abzuwarten, wie es mit der eigentlich laut Koalitionsvertrag mit als erstes umzusetzenden Reform des Landtagswahlrechts in dieser Legislaturperiode weitergeht.

Der Koalitionsvertrag versprach schon nichts Gutes – und diese Einschätzung hat die Landesregierung in den ersten 100 Tagen voll erfüllt.

 

 

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