Pressemitteilung

26.November 2020

Rülke: Schrotflintenpolitik bei Corona-Bekämpfung erweist sich als Rohrkrepierer

Dr. Hans-Ulrich Rülke

Kritik an chaotischer Regierungspolitik – FDP macht konkrete Alternativvorschläge.

In der Aussprache in der Sondersitzung des Landtags zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu den Corona-Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz unterstrich der Vorsitzende der FDP/DVP Fraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke, dass es gut sei, diese Debatte zu führen. Es müsse zugleich aber der Anspruch dieses Parlaments sein und bleiben, nicht nur informiert zu werden und zu debattieren, sondern auch zu entscheiden. Grundrechtseinschränkungen seien schließlich Sache des Parlaments und nicht die eines in der Verfassung nicht vorgesehenen Gremiums wie der Ministerpräsidentenkonferenz, die sich verhalte wie ein orientalischer Basar.
„Die Lage ist nach wie vor ernst“, so Rülke. Es drohe die Überlastung des Gesundheitswesens. Der sogenannte “Wellenbrecher-Lockdown” erweise sich aber – wie von der FDP vorausgesagt – als Rohrkrepierer, weil die Maßnahmen nicht zielgerichtet seien.
“Sie weichen aber nicht ab von Ihrer Schrotflintenpolitik nach der Methode: Man schießt ins Blaue und hofft damit, irgendwie Infektionsherde zu treffen”, warf Rülke der Landesregierung vor. Er führte dazu die Äußerungen des Virologen Jonas Schmidt-Charasit an, nach denen pauschale Maßnahmen zur Kontaktreduktion nicht angemessen seien und es immer zu fragen sei, wie die Hygienekonzepte Betroffener aussähen und ob Infektionsherde nachgewiesen werden könnten. „Das gilt insbesondere für die Lieblingsgegner der Ministerpräsidenten: Gastronomie, Sport und Kultur!“
Ähnlich sehe es auch Ferdinand Kirchhof von der Warte des Verfassungsrechtlers aus, so Rülke, und zitiert ihn: “Auf keinen Fall dürfen Regeln lediglich ein erzieherisches Ziel verfolgen. Letztlich ist vom Staat zu verlangen, dass er sich auf konkrete Risiken (…) bezieht und nachweist, dass seine Maßnahmen nicht nur am Rande zur Eindämmung beitragen.” Rülkes Fazit: “Was Sie da beschlossen haben, ist also einmal mehr virologisch fragwürdig und verfassungsrechtlich bedenklich!”
Praktisch jede Pandemie der Geschichte hatte eine zweite Welle, stellt der Fraktionsvorsitzende fest. Insofern sei es erstaunlich, dass Ministerpräsident Kretschmann einräumen musste: “Damit haben wir nicht gerechnet, das muss man schon ehrlicherweise sagen.”
Nur weil im Sommer die Infektionszahlen rückläufig gewesen seien hätte diese Landesregierung „einen Sommer der Sorglosigkeit“ verlebt, so Rülkes Vorwurf. So sei versäumt worden, Antigentests für vulnerable Gruppen zu beschaffen und erst jetzt gebe es ein 200-Millionen-Euro-Programm auf Bundesebene. Dasselbe gelte für die Beschaffung von FFP2-Masken, außerdem sei ein großer Rückstau bei Testergebissen zu verzeichnen. Aus diesem Grund seien nun zu wenig Testkapazitäten für Menschen mit Erkältungssymptomen vorhanden. Die Weiterentwicklung der Apps sei verpasst worden, was beispielsweise die wichtige Erfassung von Clustern beim Infektionsgeschehen behindere.
Rülke dazu: “All die Versäumnisse dieser Landesregierung haben einen Namen, nämlich den des zuständigen Sozialministers Manne Lucha!“ – und direkt an dessen Adresse gewandt: „Herr Lucha, wer sieht, was Sie in dieser Coronakrise alles verpennt haben, der kommt zu einer Wortneuschöpfung: Dem ‚Luchaschlaf‘. Im Vergleich zum Luchaschlaf ist der ‚Dornröschenschlaf‘ ein regelrechter ‚Power-Nap!‘“, rief Rülke aus.
Er attestierte der Regierung eine chaotische Politik. Hilflos werde der Teillockdown verlängert, jetzt bis zum 20.Dezember und dann Stückchen für Stückchen weiter. Das sei nicht mehr als „Jojo-Politik in der Hoffnung auf den Impfstoff.“, so Rülke. Bedauerlicherweise gäbe die Regierungskoalition in Baden-Württemberg ein jämmerliches Bild ab, so sei der Grünen-Fraktionsvorsitzende Schwarz für ein Feuerwerksverbot zu Silvester, der grüne Ministerpräsident Kretschmann dagegen. Die FDP sei auch gegen ein solches Verbot, so Rülke und begründet dies damit, dass es unverhältnismäßig sei, es unter freiem Himmel, auf Abstand und mit Maske, gänzlich zu verbieten.
Ministerpräsident Kretschmann sei für eine generelle Verlängerung der Schulferien vor Weihnachten, Kultusministerin Eisenmann sei dagegen, mache aber mit, so Rülke. Die Frage, ob das dann zusätzliche Ferientage seien oder diese an anderer Stelle wieder eingespart würden, sei bislang ungeklärt. „Hier ist die Haltung der FDP im Sinne des Lernerfolgs eindeutig: Es ist schon genug Unterricht in diesem Jahr ausgefallen!“, so Rülke. Beim Thema Wechselunterricht blicke keiner mehr durch, wofür diese Regierung sei, so der Fraktionsvorsitzende.
„Diese ganze Politik ist nicht zu Ende gedacht“, so Rülke an die Adresse der Regierung: „Wer soll die Kinder betreuen, wenn sie frühzeitig in die Ferien geschickt werden? Glauben Sie, Herr Ministerpräsident, ernsthaft, die Kinder gehen dann sechs Tage in Quarantäne bis Weihnachten? Das ist doch naiv!“
Zum Thema Wechselunterricht betont Rülke, dass sich hier zudem die Gerechtigkeitsfrage stelle: „Im Frühjahr haben wir doch gesehen, wer die Coronaverlierer sind: Sozial schwache Kinder mit unzureichendem Zugang zur Digitalisierung!“ Er forderte statt Ferienverlängerung und Wechselunterricht FFP2-Masken und die Beschaffung von Raumluftreinigern für die Schulen.
Angesichts der schlechten Lage des Einzelhandels attestierte Rülke der Regierung pure Symbolpolitik, die nicht weniger Infektionen bringe, aber dem Handel schade. Die Reduktion der erforderlichen Verkaufsfläche pro Person auf 10 bzw. 20 Quadratmeter bringe nichts, aber schade dem Handel ebenfalls. Schließlich führe der Aufruf, vor Weihnachten in Quarantäne zu gehen, zu einer Verödung der Innenstädte – während bei den Onlinehändlern die Sektkorken knallten.
Rülke stellte fest, dass die ganze Fokussierung auf Weihnachten fragwürdig und verfassungsrechtlich höchst bedenklich sei. Dazu zitierte er nochmals den Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof: “Lokale zu schließen mit der Begründung, damit lasse sich dann ein schönes Weihnachtsfest feiern, ist nicht zulässig.”. Dennoch einfach so zu verfahren, sei nach Aussage Rülkes „reiner politischer Opportunismus“.
Diesem stellte Rülke die Vorschläge in einem Antrag der FDP/DVP Fraktion mit umfassenden Maßnahmen gegenüber, die zur Abstimmung eingebracht wurden. Dies sei die Alternative zu einem Entschließungsantrag, den die Fraktionen von Grünen und CDU am gestrigen Abend voreilig eingebracht hätten: „Sie feiern in Punkt 2 ihres Antrags die Vereinbarung der Ministerpräsidenten bereits zu einem Zeitpunkt, als deren Sitzung noch gar nicht abgeschlossen war. So machen sich Regierungsfraktionen zu willenlosen Werkzeugen von Regierungen!“ warf Rülke diesen vor.
Zum Antrag der FDP DVP Fraktion zählen unter anderem eine Weiterentwicklung der Beurteilung der tatsächlichen epidemiologischen Lage mit Einrichtung eines Ampelsystems unter Berücksichtigung weiterer relevanter Faktoren wie Bettenkapazitäten und Krankheitsverläufe. Ergänzend dazu die Ausweitung der Test- und Schutzkapazitäten im Bereich der Antigen-Schnelltests und mobiler PCR-Schnelltests sowie eine große Investition in FFP2-Schutzmasken – insbesondere für besonders gefährdete Gruppen.
Außerdem setzt sich die FDP/DVP Fraktion für die Bildungs- und Bewegungsbedürfnisse der Kinder ein, etwa durch Verzicht auf flächendeckende Einschränkungen beim Präsenzunterricht. Stattdessen fordern die Liberalen die Regierung auf, eine Bildungs- und Betreuungsgarantie abzugeben, die auch bei steigenden Infektionszahlen flächendeckende Schließungen von Schulen und Betreuungseinrichtungen verhindert. Weitere Forderungen umfassen FFP2-Masken für alle Lehrkräfte und Schüler an weiterführenden Schulen sowie einen schnellen Schub bei den digitalen Möglichkeiten im Schulbetrieb. Gerade im Freizeit- und Amateursportbetrieb seien umgehend die Verhältnismäßigkeiten bei Verboten angesichts der dort jeweils möglichen Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu überprüfen.
Zudem macht sich die FDP/DVP Fraktion in ihrem Antrag stark für eine Verbesserung digitaler Möglichkeiten in den Bereichen der staatlichen Pandemiebekämpfung und einen Einsatz für die Weiterentwicklung der Corona-Warn-App.
Die FDP/DVP Fraktion fordert außerdem Perspektiven für die besonders betroffenen Betriebe der Gastronomie, der Kultur- und der Veranstaltungsbranche nicht nur durch Verbesserung der Hilfszuweisungen, sondern auch durch Perspektiven für baldigen Wiederbetrieb unter Einhaltung von Hygiene- und Schutzkonzepten.
„Die derzeitige Entwicklung der Corona-Infektionen zeigt, dass die bisherige Strategie nicht genug bringt, um die Einschränkungen mit all ihren negativen Begleiterscheinungen zu rechtfertigen. Wir setzen dieser Schrotflinten-Methode ein Alternativkonzept entgegen, das zielgerichtet ist und die Schäden begrenzt“, so Rülke abschließend.

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