Pressemitteilung

05.September 2010

Bahnprojekt Stuttgart-Ulm

– Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm hat durch die Demonstrationen und Protestbekundungen der vergangenen Wochen landesweite Aufmerksamkeit erlangt. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, auf einige Kritikpunkte der Projektgegner einzugehen und deutlich zu machen, warum meine Fraktion dieses Projekt unverändert als sinnvoll und notwendig erachtet.

Die Proteste der vergangenen Wochen täuschen über eine ganz entscheidende Tatsache hinweg: Dieses Projekt ist mit jeweils überwältigenden Mehrheiten durch Gemeinderats-, Landtags- und Bundestagsbeschlüsse demokratisch legitimiert. In einer parlamentarischen Demokratie ist dies zweifelsfrei eine ausreichende Grundlage für ein solches Großprojekt.Seitens der Gegner wird von der „Mehrheit der Bevölkerung“ gesprochen, die mit dem Projekt Stuttgart 21 nicht einverstanden sei. Fakt ist jedoch, dass bei den letzten Kommunalwahlen 65,2 % der Bürger trotz der grünen Kampagne gegen Stuttgart 21 Parteien gewählt haben, die das Projekt befürworten. Ebenso Tatsache ist, dass weit über 80% des Landtages sowie zwei Drittel des Gemeinderats der Landeshauptstadt hinter Stuttgart 21 stehen. Die Grünen erhielten bei der letzten Landtagswahl weniger als 12% der Stimmen. Soviel zu dieser Legendenbildung. Eine weitere Legende ist die der verweigerten Bürgerbeteiligung bei der Entscheidung über dieses Jahrhundertprojekt. Das Vorhaben Stuttgart 21 ist seit mehr als 15 Jahren bekannt. In zahlreichen Bürgeranhörungen, Diskussionen und offenen Bürgerbeteiligungen konnten sich die Bürgerinnen und Bürger seitdem immer wieder wesentlich in die Projektplanung zu Stuttgart 21 einbringen. Die demokratisch gewählten Gremien in Kommune, Land und Bund haben sich in unzähligen Sitzungen mit dem Projekt befasst. Der einzige Vorwurf, den man der Kommunalpolitik machen kann, ist, dass nicht in der Frühphase des Projekts vor Planfeststellung und vor Verhärtung der Fronten auf einen Bürgerentscheid in Stuttgart hingewirkt wurde. Erst 2007, als die Planfeststellung bereits abgeschlossen war und die Verträge unterzeichnet wurden, wurde von den Gegnern in Stuttgart ein Bürgerbegehren angestrebt, welches jedoch sowohl vom Gemeinderat, als auch von der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu Recht für unzulässig erklärt wurde. Bereits damals wurden die Unterzeichner durch die Initiatoren getäuscht, in dem behauptet wurde, die Stadt könne sich aus den vertraglichen Bindungen einfach lösen. Vor diesem Hintergrund ist die derzeitige Agitation der Grünen und weiterer politischer Mitbewerber nicht in Sachpolitik begründet. Sie speist sich vielmehr aus eiskaltem politischem Kalkül. Wer mit dem einzigen Ziel, Stimmen bei Wahlen zu gewinnen populistisch-plakativ Kundgebungen befeuert und überholte Gutachten offeriert, der wirft die Spielregeln unserer repräsentativen Demokratie über Bord. Dies gilt besonders für das infame Vorgehen der Grünen, den Bürgern vorzugaukeln, man könne dieses gründlichst geplante Projekt noch stoppen.Stuttgart 21 ist unumkehrbar im Bau, daran werden weder die Gängelung der Berufspendler durch die Demonstranten noch die Panikmache und Herabwürdigung deutscher Ingenieurskunst durch einige selbsternannte Experten etwas ändern. Die sachlichen Pro- und Kontra-Argumente wurden bereits hinlänglich ausgetauscht, deshalb möchte ich nicht zu ausführlich darauf eingehen. Lassen Sie mich dennoch kurz einige zentrale Punkte hervorheben, auf denen sich die mehrheitliche Zustimmung der Landespolitik zu diesem Projekt begründet. Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sind ein zusammenhängendes Projekt für ganz Baden-Württemberg. Es wird vielfach vergessen, dass es hier nicht nur um den städtebaulichen Aspekt einer Tieferlegung des Bahnhofs geht, sondern dass der gesamte Eisenbahnknoten Stuttgart durch neue Tunnelstrecken ausgebaut und ertüchtigt wird. Auch wenn es sich viele Gegner nicht vorstellen können, so gibt es doch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, deren Reise mit der Bahn nicht in Stuttgart beginnt oder endet. Gerade für solche wird der neue Durchgangsbahnhof ein Segen sein. So verkürzt sich z. B. die Reise von Tübingen nach Stuttgart um zwanzig Minuten, da die umständliche Einfädelung in den Kopfbahnhof entfällt. Neben attraktiven Fernverkehrsverbindungen besteht so auch vor allem die Chance für neue Direktverbindungen im Regionalverkehr. Stuttgart 21 ist also mindestens ebenso gewinnbringend für den Regionalverkehr wie für den Fernverkehr.Weiterhin werden Flughafen und die Landesmesse mit einem neuen Bahnhof an eine Schnellbahntrasse angebunden und somit deutlich aufgewertet. Gerade den sich verstärkenden Wechselbeziehungen zwischen den Verkehrsträgern (Bahn/Flugzeug) wird so vorbildlich Rechnung getragen.Schließlich ist Stuttgart 21 ein Projekt, welches so ökologisch ist wie kaum ein anderes. Mehr als 100 Hektar Freifläche wird die Landeshauptstadt Stuttgart nach Abschluss der Tieferlegung zur innerstädtischen Entwicklung nutzen können. Um eine solche Jahrhundertchance beneiden uns die Metropolen in Europa. Statt weiter in die Fläche zu wachsen, gibt das Bahnprojekt enorme urbane Entwicklungsmöglichkeiten. Die Bürgerinnen und Bürger werden endlich vom Schienenlärm entlastet, denn durch 16 Tunnel mit insgesamt 33 Kilometer Tunnelstrecke im Stadtgebiet Stuttgart wird der Lärm zum Großteil unter die Erde verbannt.Die Renovierung des alten Kopfbahnhofs, wie sie das angebliche Alternativkonzept „Kopfbahnhof 21 (K21)“ vorsieht, kann diese Vorteile nicht bringen, sondern lockt stattdessen mit blumigen Kostenkalkulationen, die sich in der Planungsrealität wohl eher nicht halten ließen. Von den Belastungen für die Reisenden bei einer Modernisierung der Bahnsteighalle bei laufendem Betrieb ganz zu schweigen. K21 würde weder eine schnelle Verbindung zum Flughafen bringen noch das dichtbesiedelte Neckartal entlasten. Ähnlich verhält es sich mit der Kritik an der geplanten Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Mit der Entscheidung für eine autobahnnahe Trasse wurde bereits 1991 die Entscheidung getroffen, die Strecke nicht für den herkömmlichen schweren Güterverkehr zu nutzen. Allen Kritikern sollte klar sein, dass eine solche Nutzung einen Basistunnel unter der Alb erfordern würde, um das Streckengefälle zu reduzieren oder dass man die bestehende Verbindung durch das Filstal viergleisig ausbaut, hierfür Häuser abreist und Ortschaften durch meterhohe Schallschutzmauern entstellt. Abgesehen von der Tatsache, dass ein solches Vorhaben wohl niemals politisch durchsetzbar wäre, dürften die Kosten für ein solches Projekt Dimensionen erreichen, von denen wir heute weit entfernt sind.Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm bleiben deshalb lohnenswerte und alternativlose Investitionen in die Zukunft unseres Landes. Daran ändern auch die – zugegebenermaßen ärgerlichen – Kostensteigerungen bei beiden Projekten nichts. Der volkswirtschaftliche Nutzen ist nachwievor unzweifelhaft gegeben. Die Angst vor Veränderungen und die Sorge der Bürgerinnen und Bürger über eine zehn Jahre dauernde Großbaustelle ist indes absolut nachvollziehbar. Es ist jedoch wichtig, jetzt diesen Schritt zu gehen und nicht auf halbem Wege umzudrehen. Die zur damaligen Zeit transparenten und nach wie vor gültigen Finanzierungsbeschlüsse sehen vor, dass sich das Land mit einer knappen Milliarde Euro an den Kosten für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm beteiligt, egal wie hoch diese im Endeffekt ausfallen. Für Stuttgart 21 ist ein Anteil des Landes von rund 823 Mio. Euro vorgesehen, von dem rund 480 Mio. Euro in einem Risikofonds vorgehalten werden. Eine entsprechende Rücklage hat das Land in konjunkturell guten Zeiten bereits gebildet. Insofern sind Befürchtungen, Stuttgart 21 blockiere auf Jahrzehnte die Fortentwicklung der übrigen Verkehrsinfrastruktur, unzutreffend. Vielmehr lenken sie davon ab, dass der Verkehrshaushalt des Bundes, der für den Ausbau der Schieneninfrastruktur allein zuständig ist, seit Jahrzehnten chronisch unterfinanziert ist. Nur durch das Engagement des Landes ist es gelungen, Stuttgart 21 und die Neubaustrecke so zügig und zeitgleich in Angriff zu nehmen.Natürlich kann man in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, dass diese Gelder für diese Projekte der Bahn und des Bundes falsch investiert seien, aber man kann der Landespolitik nicht vorwerfen, den Bürger über den Tisch gezogen zu haben. Die Mehrkosten gehen nicht zu Lasten des Landeshaushalts, bzw. sind im Fall des Tiefbahnhofs durch einen Risikofonds abgesichert. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Milliarden, die der Bund und die Bahn investieren sonst in andere Bundesländer flössen und nicht in Baden-Württemberg investiert werden würden.Viele Plakate während der Demonstrationen stellen Stuttgart 21 in eine Reihe mit Wyhl, Wackersdorf und Gorleben. Ein erster Schritt, um wieder zu einer sachlichen Diskussion über die Ausgestaltung von Stuttgart 21 zurückzukehren, wäre ein Eingeständnis, dass es sich hier weder um eine atomares Endlager im Herzen der Landeshauptstadt noch um einen Großreaktor oder eine Wiederaufbereitungsanlage für atomare Brennstände handelt, sondern einzig und allein um ein Infrastrukturprojekt zum Nutzen aller Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Es braucht hier nicht einen bürgerlichen „Kampf“ gegen „die da oben“, sondern die Einsicht, dass dieses demokratisch beschlossene Jahrhundertprojekt eine gemeinsame Gestaltungsaufgabe für uns alle ist.Mit freundlichen GrüßenIhr Dr. Hans-Ulrich Rülke MdLFraktionsvorsitzender

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