Die Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktionen von Baden-Württemberg und Hessen, Dr. Hans-Ulrich Rülke und Florian Rentsch zur Neuordnung der Finanzbeziehungen
Eine grundlegende Reform des deutschen Föderalismus ist nach wie vor notwendig. Mit der Föderalismusreform I ist eine Neuordnung der Zuständigkeit von Bund und Ländern nur unzureichend gelungen. Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wurde zunächst ganz ausgeklammert. Auf Druck der FDP wurde dieser Teil in der Föderalismusreform II angegangen. Auch die Föderalismusreform II blieb aber weit hinter den Bedürfnissen und Erwartungen zurück. Erneut gab es nur eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner.
Dringende Probleme, wie die Reform des Länderfinanzausgleiches, weitgehende Steuerautonomie für die Länder und eine Erleichterung von Länderneugliederungen, sind aber weiterhin unerledigt. Vor diesem Hintergrund setzen sich die FDP-Fraktionen von Hessen und Baden-Württemberg weiter dafür ein, dass der deutsche Föderalismus in einer dritten Reformstufe endlich die umfassenden Verbesserungen erfährt, die für die Beziehungen zwischen Bund und Ländern, für die Funktionsfähigkeit des Staates und zum Wohle der Bürger dringend benötigt werden.
Insbesondere gilt es, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern (unter Einbeziehung auch der Kommunen) umfassend neu zu ordnen. Im Vordergrund stehen dabei
- der Ausbau der Finanzautonomie der Länder und die Stärkung des föderalen Wettbewerbs,
- eine Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs, die wirtschaftliche Anstrengung und Leistung und Sparsamkeit belohnt und nicht bestraft, sowie
- der Abbau von Doppelzuständigkeiten und Mischfinanzierungen.
Unser Ziel ist es, zwischen Bundes- und Landessteuern stärker zu trennen. Gleichzeitig wollen wir in unserer Verfassung ein echtes Konnexitätsprinzip verankern: Gemeinden dürfen von Bund oder Ländern nur noch mit zusätzlichen Aufgaben betraut werden, wenn die Finanzierung durch den Gesetzgeber gewährleistet ist. Auch hier muss gelten: Wer bestellt, der bezahlt.
Dazu gelten für uns die folgenden Ziele:
- Finanzautonomie
Die FDP steht für mehr Finanzautonomie in Bund, Ländern und Gemeinden. Jede Ebene soll eine eigenständige Wachstums- und Standortpolitik betreiben können. Eine größere Autonomie für die Länder und Gemeinden erhöht die Transparenz der politischen Entscheidungen und stärkt die Verantwortlichkeit der Politik gegenüber den Bürgern.
Zentrales Element dieser Strategie ist es, die Hoheit der Länder über ihre Einnahmen und Ausgaben zu stärken. Dazu gehören
- ein Hebesatzrecht der Länder auf die (zuvor abgesenkten) Sätze der Einkommen- und Körperschaftsteuer;
- das Recht der Länder, die Steuersätze bei der Erbschaftsteuer (wie heute schon bei der Grunderwerbsteuer) durch Landesgesetz zu regeln;
- die Übertragung der Kompetenz für die Gesetzgebung über die Ausgestaltung der Grundsteuer vom Bund auf die Länder.
- Länderfinanzausgleich
Eine Schwäche des derzeitigen Steuerverteilungs- und Ausgleichssystems besteht in kontraproduktiven Anreizwirkungen und unklarer politischer Verantwortung. Insbesondere die Nivellierung von Leistungserfolgen im horizontalen Finanzausgleich lähmt die Anstrengungen für Innovationen und dynamische Stärkung der Wirtschaftskraft, auf der alle Finanzkraft beruht. Diese Fehler müssen zugunsten wirksamer Selbstentfaltung beseitigt werden.
Der Länderfinanzausgleich enthält keine Anreize für eigene Anstrengungen: je mehr ein Land in den Länderfinanzausgleich einzahlt oder daraus empfängt, desto mehr wächst – trotz partieller Änderungen durch die Reform 2005 – die Gefahr, Eigenanstrengungen zu unterlassen. Im Ergebnis schwächt dieser Ausgleich die finanzstarken Länder und verschärft die Armut der finanzschwachen Länder. Der Länderfinanzausgleich ist deshalb grundlegend zu verändern.
- Das Ausgleichsvolumen ist als Sofortmaßnahme ab dem Jahr 2016 auf 4 Mrd. Euro zu verringern und dauerhaft festzuschreiben.
- Mit Wirkung auf 2019 gilt es darüber hinaus, ein neues Modell des Finanzausgleichs ohne die nivellierende Wirkung des jetzigen Systems zu entwickeln, Die Gutachten der Professoren Kube, Feld und Seiler, die auch der Klage der Länder Bayern und Hessen zugrunde liegen, bieten hierfür eine Fülle von Anknüpfungspunkten.
- Die Abgeltung von Sonderlasten wird durch Ergänzungszuweisungen des Bundes gewährleistet.
3. Solidaritätszuschlag
Mit dem Auslaufen des Solidarpakts und der gegenwärtigen Regelung des Länderfinanzausgleichs im Jahr 2019 muss auch der Solidaritätszuschlag zur Disposition stehen. Wir plädieren dafür, den Soli mit dem Jahr 2019 ersatzlos zu streichen.
4. Mischfinanzierungen abbauen, Transparenz und Verantwortlichkeit stärken
Die Mischfinanzierung staatlicher Leistungen, also die gemeinsame Finanzierung durch verschiedene öffentliche Haushalte, ist eine der zentralen Schwierigkeiten der deutschen Finanzverfassung. Durch unklare und gemischte Zuständigkeiten wird staatliches Handeln intransparent. Dies führt dazu, dass die Bürger im Gewirr der Ebenen nur schwer Entscheidungszuständigkeiten lokalisieren können.
Wirksame demokratische Kontrolle setzt aber voraus, dass die Bürger erkennen können, wer genau für Erfolg oder Misserfolg staatlichen Handelns verantwortlich ist. Mischfinanzierung verhindert das. Wer über eine Maßnahme entscheidet, sollte auch für die Finanzierung derselben zuständig sein; wenn Bund und Länder die Kommunen zu bestimmten Ausgaben veranlassen, müssen sie einen angemessenen Ausgleich zahlen (Konnexitätsprinzip).
Bürgernahe Demokratie braucht Transparenz und klare Verantwortlichkeiten. Mischfinanzierungen sind daher weiter abzubauen und Zuständigkeiten einzelnen staatlichen Ebenen klar zuzuordnen. Außerdem trägt Mischfinanzierung allzu oft dazu bei, dass teilweise unwirtschaftliche Projekte finanziert werden. Wenn ein Großteil eines Projektes durch Bund oder Land finanziert wird, ist die Gefahr hoch, dass die Wirtschaftlichkeit vor Ort bei der Entscheidung weniger stark ins Gewicht fällt.
5. Altschuldenregelung
Die Länder müssen ihre Altschulden grundsätzlich in eigener Verantwortung zurückführen. Zur Entschuldung der Länder wird ein Länderschuldenfonds aufgelegt. Mit diesen Fonds können die Länder auf freiwilliger Basis ihre laufend fälligen Altschulden zu einem günstigeren Zinssatz prolongieren. Aufgrund des größeren Volumens kann der Fonds – analog zur gemeinschaftlichen Auflage von Anleihen mehrerer Länder – bessere Zinskonditionen am Kapitalmarkt erzielen. Dadurch können die Länder ihre laufend fälligen Altschulden zu einem niedrigeren Zinssatz prolongieren Mit den eingesparten Zinsen aus der Refinanzierung müssen vorhandene Kredite getilgt werden. Die Haftung ist ausdrücklich teilschuldnerisch: Jedes Land haftet selbst für seine eigenen Schulden.
Nur für absolute Härtefälle kommen zusätzliche Konsolidierungshilfen des Bundes in Frage. Das Bundesverfassungsgericht hat für das Vorliegen solcher Situationen in seinem Berlin-Urteil vom 19. Oktober 2006 (2 BvR 3/03) Kriterien entwickelt, an denen festzuhalten ist.
- Doppik
Wir plädieren mit Nachdruck für einen den Bund, die Länder und die Kommunen gleichermaßen betreffenden Übergang vom überkommenen kameralen Haushalts- und Rechnungswesen der öffentlichen Hände auf die Doppik. Was eine Reihe von Bundesländern für ihre Kommunen vorgeschrieben haben und einige Bundesländer auch selbst praktizieren, sollte aus Gründen der Transparenz und der Vergleichbarkeit bundesweit eingeführt werden.
Die Doppik bedeutet den Übergang von einem allein an Zahlungsströmen orientierten Konzept zu einer Ressourcenverbrauchskonzeption, die auch nicht unmittelbar zahlungswirksame Größen wie Abschreibungen und Pensionsverpflichtungen umfasst. Ausgaben, die heute verursacht werden, aber erst in Zukunft anfallen, sind dabei bereits im laufenden Haushalt als Aufwand auszuweisen. Nur dieses Konzept trägt dem Anspruch einer nachhaltigen und generationengerechten Haushaltswirtschaft Rechnung.
- Fazit
Das liberale Gesamtkonzept bringt die Punkte Neuverschuldung, Finanzautonomie, Finanzausgleich und Altschuldenabbau in Einklang. Es fordert von den Beteiligten ein gesundes Maß an Eigenverantwortung, fügt den Gedanken des föderalen Wettbewerbs maßvoll in das System der deutschen Finanzverfassung ein, lebt aber weiterhin auch von der notwendigen bündischen Solidarität.