Noll: Erwin Teufel ist eindrucksvolles Beispiel für Lust auf Lernen im Alter
Andreas Kruse: Bewegung und Lernen können manche Demenz-Erkrankungen vermeiden – „Eines der eindrucksvollen Beispiele für lebenslanges Lernen ist der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel, der im relativ hohen Alter noch ein Studium der Philosophie aufnahm.“ Dies sagte der Vorsitzende der FDP/DVP-Landtagsfraktion, Dr. Ulrich Noll, auf dem zweiten Liberalen Seniorentag, der dem Thema „Lust auf Lernen im Alter“ gewidmet war. Nach den Worten von Noll müsse schon in den Schulen der Grundstein dafür gelegt werden, dass Lernen im Alter „nicht Last, sondern Lust“ bedeute. Lebenslanges Lernen sei heute aufgrund der explodierenden Informationsflut unverzichtbar, um in der Gesellschaft oder innerhalb der Familie aktiv mitzuwirken. Dies könne eine der Voraussetzungen für ein erfülltes Leben im Alter sein. Lebenslanges Lernen ermögliche auch, nach dem aktiven Berufsleben ganz neue Wege zu gehen.
Der Vorsitzende der Liberalen Senioreninitiative, Dr. Kurt Sütterlin, sagte, Fortbildung im Altern bedeute auch „Brücken zu bauen zur Kommunikation, und dazu gehört beispielsweise zu lernen, wie ich mit einem modernen Fahrkartenautomaten zurechtkomme“. Am besten sei es, zusammen mit jungen Leuten durch „Lernen mit Lust Teilhabe an der Gesellschaft und Politik zu bekommen“.Professor Dr. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie in Heidelberg, berichtete, dass es inzwischen 50 bis 60 wissenschaftliche Studien gebe, die von einem Zellwachstum im Gehirn (Neurogenese) auch noch im hohen Alter ausgingen. Die Erkenntnis, dass sich Nervenzellen im Alter weiter differenzieren könnten, habe es vor 15 bis 20 Jahren noch nicht gegeben. Allerdings sei eine reine Informations-aufnahme zu wenig, um eine bessere Aktivierung der Synapsen, der Verbindung zwischen den Zellen, zu erreichen. „Nur wenn ich mich in ein Gebiet reinhänge, viel Grips investiere, werden sich neue Zellverbände bilden“, so der Wissenschaftler. Auch habe sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass körperliche Aktivität für den Denkprozess sehr wichtig sei. Möglicherweise trage sportliche Betätigung, bei-spielsweise Tanzsport, schon allein dazu bei, dass sich die „Intelligenz eines Menschen verbessert“. Und: „Vielleicht ist die Kombination von Bewegung und intensivem Lernen ein gewisser Schutz gegen bestimmte Arten von Demenz.“ Wenn als dritte Komponente noch das Lernen und Agieren im öffentlichen Raum der Gesellschaft hinzukomme, gelinge es möglicherweise den Abbau von Nervenzellen zu ver-langsamen. „So gesehen, müsste ein Fünftel aller Demenzen gar nicht auftreten“, so Kruse. Als eine seiner wichtigsten Forderungen bezeichnete Kruse, dass sich Politiker moderat und nicht extrem ausdrückten, wenn es um das Thema Altern gehe. „Wer vom Generationenkrieg redet, provoziert nicht mehr steuerbare Konsequenzen – darüber sollten sich die Politiker im Klaren sein.“Dr. Dr. Paul Wolters, Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für Universitäre Studien der Senioren (EZUS) in Ostwestfalen – Lippe berichtete von der von ihm initiierten ersten universitären Bildungseinrichtung für Senioren. Die Idee dazu wurde im Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestfalen – Lippe (ZIG) ausgearbeitet. Diese Netzwerkagentur, getragen von Unternehmen und Verbänden der Gesundheitswirtschaft, entwickelt neue Produkte und Dienstleistungen rund um die Gesundheit. Die Robert-Bosch-Stiftung zeichnete das ZIG für die Gründung der Seniorenhochschule, die mit der Universität Bielefeld zusammenarbeitet, mit dem Preis „Zukunft Alter“ aus. Wolters sagte, es gebe bei Senioren und Seniorinnen ein großes Interesse an wissenschaftlicher Weiterbildung. Ältere Mitbürger würden in den nächsten Jahren in der Öffentlichkeit immer mehr meinungsbildend und gestal-tend wirken. Auch die Universität Ulm unterhält ein Bildungszentrum, das „Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung“. Es steht nicht ausschließlich für ein Seniorenstu-dium wie in Ostwestfalen – Lippe, sondern für Bildungsprojekte, die junge und alte Menschen zusammenbringen, so Markus Marquard. So unterstützen Senioren Hauptschüler beim Eintritt ins Berufsleben, besuchen Alt und Jung das Ulmer Theater, gebe es Spielshows für Jung und Alt, Schülertrainingsfirmen, Mathematikkurse, Forschungsprojekte, die von Alten und Jungen getragen werden. Die Vernetzung sei umfassend, es beteiligen sich die Stadt Ulm, Vereine, Initiativen, Theater, Museen, Jugendhäuser, Unternehmen und verschiedene Stadtteilzentren. „Ich ziehe nach Ulm“, so die Reaktion mancher Kongressteilnehmer im überfüllten Plenum des Land-tags. Markus Marquard fasste dies als Kompliment auf. Er vergaß aber nicht zu sagen, dass es in Baden-Württemberg inzwischen rund 80 Initiativen gebe, wo Senioren beispielsweise das Internet-Surfen lernen könnten.Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sibylle Laurischk sagte, dass das bürgerschaftliche Engagement der Älteren stark zugenommen habe, jedoch das Potenzial der älteren Generation immer noch „nur ansatzweise genutzt wird“. Das bürgerschaftliche Engagement zu fördern sei mehr Aufgabe der Kommunen als des Staates, der sich eher zurücknehmen sollte. Als Beispiel für ehrenamtliches Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger nannte sie den Besuchsdienst in der Stadt Offenburg, der sich aus kleinen Anfängen zu einem Netzwerk entwickelt habe. Die Initiatorin sei jetzt mit der Landesehrennadel ausgezeichnet worden. Die betagte und doch noch so rüstige Dr. Ingrid Zundel, von der Liberalen Senioren Initiative Baden-Württemberg, warnte unter allgemeinem Schmunzeln die Zuhörerinnen davor, sich liften zu lassen („Sie werden so leblos im Gesicht“), berichtete, dass sie im Alter von 75 Jahren promoviert habe und es für sie selbstverständlich sei, mit Hilfe des Internets weltweit zu recherchieren und ihre Kontakte in die USA zu pflegen. Die lebhaften Diskussionen leitete die FDP-Landtagsabgeordnete und schulpolitische Sprecherin Dr. Birgit Arnold.Hans Ilg, Pressesprecher