Rülke: Grün-Rot predigt „gute Arbeit“, aber nicht für Praktikanten
Zur Stellungnahme der Landesregierung auf den FDP-Antrag „Unentgeltliche Praktika im Kultusministerium“ sagte der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke:
„Offensichtlich hat das Kultusministerium unmittelbar vor der Europa- und Kommunalwahl nur so getan, als ob man künftig Praktikanten entlohnen wolle. Nach heftiger öffentlicher Kritik beteuerte Kultusminister Stoch, künftig den eigenen Ansprüchen an „gute Arbeit“, wie es im Koalitionsvertrag der Landesregierung heißt, gerecht werden zu wollen. Fortan werden sowohl das Kultusministerium als auch das Wissenschaftsministerium „bei längerfristigen Praktika grundsätzlich eine Vergütung gewähren“, heißt es in der Antwort aus den Ministerien. Dieses Hintertürchen ist eine neue Wegmarke grün-roten Pharisäertums. Denn sowohl die Formulierung “grundsätzlich”, als auch die unbestimmte Einschränkung “langfristig” geben den Ministerien genug Spielraum, um weiter zu machen wie bisher.
Insgesamt wurden seit dem Regierungswechsel im Jahr 2011 bereits über 260 Praktikanten ohne Vergütung in den Ministerien eingesetzt. Dabei waren die Praktikumsplätze höchst ungleich verteilt. So werden etwa im Sozialministerium, im Ministerium für den ländlichen Raum und Verbraucherschutz und im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft lediglich Plätze für Pflichtpraktika im Rahmen von Ausbildung oder Studium vorgehalten, für die nur „unter bestimmten Voraussetzungen eine Vergütung vereinbart werden kann“. Das Justizministerium wie auch das Innenministerium wollen auch weiterhin „an ihrer Praxis, grundsätzlich keine Praktika anzubieten, festhalten“ und entziehen sich damit der Fragestellung. Eine besondere Stilblüte zeigt sich beim Wissenschaftsministerium. Dort wurde in 26 Fällen keine Vergütung an den Praktikanten gezahlt, gelegentlich aber aufgrund eines „Mehrwerts für die betreuende Organisationseinheit“ Fahrtkostenersatz gewährt. Für eine echte Vergütung reichte dieser Mehrwert jedoch auch bei den 5 Praktikanten offensichtlich nicht, die ihre Arbeitskraft länger als drei Monate zur Verfügung stellten.
Bezeichnend für das gesamte Ausmaß grün-roter Heuchelei ist, dass man keinen Zusammenhang zwischen der Mindestlohnfrage und der Entschädigung von Praktikanten erkennen will. Wer aber im Bund den ausnahmslosen Mindestlohn erzwingt und die Augen verschließt, wenn damit Arbeits- und Praktikumsplätze vernichtet werden, kann nicht im Land dutzende Praktikanten ohne Vergütung lassen, weil diese im Haushalt der Ministerien bisher nicht vorgesehen war. Es klafft eine deutliche Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der Landesregierung, während Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in Berlin jüngst erneut ein Abrücken vom Mindestlohn für Praktikanten ausgeschlossen hat. Sie wolle das Modell der ‚Generation Praktikum‘ beenden, kündigte die Ministerin an, damit ausgebildete oder studierte Praktikanten nicht mehr „monatelang für lau ausgenutzt“ werden. Diese Ambitionen scheint ihre hiesige Parteikollegin Altpeter jedoch nicht zu teilen.
Denn der größte Skandal sind die bislang 60 unbezahlten Praktikanten ausgerechnet im von Altpeter geführten Sozialministerium, verbunden mit der Ankündigung, genau so weiter zu machen wie bisher. Sozialministerin Altpeter offenbart die sozialdemokratische Moral – sie redet wie Mutter Theresa, handelt aber wie Margaret Thatcher.“