Auf den Lehrer kommt es an! Die fachlichen und pädagogischen Fähigkeiten der Lehrer tragen entscheidend dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler eine gute schulische Ausbildung erhalten und ihnen Berufs- und Lebensperspektiven eröffnet werden. Das Land Baden-Württemberg steht als Arbeitgeber im besonderen Maße in der Verantwortung, seine Lehrerinnen und Lehrer bestmöglich aus- und fortzubilden. Mit dem Ziel, die Bildungsqualität in Baden-Württemberg zu verbessern, hat Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann (CDU) ein Konzept entwickelt. Doch dieses Qualitätskonzept wird seinen Namen nach Auffassung der FDP/DVP Fraktion nicht gerecht, im Gegenteil: Es droht Baden-Württemberg eine seiner großen Stärken zu nehmen, die Praxisorientierung in der Lehreraus- und -fortbildung, und gefährdet individuelle, auf die Bedürfnisse der einzelnen Schulen zugeschnittene Maßnahmen.
Eine neue, zentrale Behörde wird geschaffen
Im Februar 2019 brachte die grün-schwarze Landesregierung das „Qualitätskonzept“ von Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann auf den Weg. Im Zentrum des Konzepts stehen die Gründungen zweier Institute: Zum einen wurde das „Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg“ (IBBW) ins Leben gerufen. Durch das IBBW soll das Bildungsmonitoring mittels einer datengestützten, wissenschaftlichen Begleitung von Schule und Unterricht gestärkt werden – diese Maßnahme unterstützen wir Freie Demokraten grundsätzlich. Zum anderen wurde im Rahmen des Qualitätskonzepts das „Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung“ (ZSL) geschaffen. Das ZSL plant, konzipiert und entwickelt die Lehreraus- und -fortbildung. Konkret bedeutet dies, dass von dieser zentralen Behörde aus Programme für Lehrerfortbildungen in Baden-Württemberg entwickelt werden. Die Seminare für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte werden künftig dem ZSL unterstellt. Die Seminare sind Bildungszentren und befinden sich in verschiedenen Regionen in Baden-Württemberg. Sie bilden Referendare für das jeweilige Lehramt (Grundschule, Werk-, Haupt- und Realschule, Gymnasium, berufliche Schulen oder Sonderpädagogik) aus, indem sie den Berufseinsteigern u.a. fachdidaktische und pädagogische Kompetenzen vermitteln und somit den Übergang von Studium/Theorie zur Lehrpraxis erleichtern. Außerdem bieten sie Fortbildungen für Lehrkräfte an. Den Seminaren kommt demnach eine entscheidende Rolle bei der Aus– und Fortbildung des Lehrpersonals zu.
Probleme bei der Umsetzung kosten wertvolle Zeit
Zum Schuljahr 2019/2020 wurde das Qualitätskonzept in der Praxis eingeführt. Der überstürzte Start des neuen Systems war mit erheblichen Anlaufschwierigkeiten verbunden. Die Software zur Registrierung für Fortbildungen funktionierte nicht. Wie eine Anfrage unserer Fraktion zeigt, sind noch immer zahlreiche Leitungspositionen aufgrund der Umstrukturierungen in den Seminaren unbesetzt. Dieser Start erinnert an andere gescheiterte Projekte der Landesregierung wie die Bildungsplattform „ella“. Dabei kann Baden-Württemberg sich insbesondere vor dem Hintergrund des Abstiegs in den bundesweiten Bildungsvergleichen keine weiteren Verzögerungen im Bildungsbereich mehr leisten. Die Landesregierung muss sicherstellen, dass die Leitungspositionen an den Seminaren besetzt werden und die dort Lehrenden ihre Arbeit qualitativ hochwertig erledigen können. Nur so kann eine Verbesserung der Unterrichtsqualität erreicht werden und Baden-Württemberg wieder an die Spitze der Bundesländer zurückkehren. Die Einführung des Konzepts ohne hinreichendes Personal und ohne funktionierende Software kostet jedoch wieder einmal viel Zeit und Geld.
Zweifelhafte Praxistauglichkeit gefährdet eine Verbesserung der Unterrichtsqualität
Neben den Problemen in der Umsetzung hat das Konzept jedoch vor allem grundlegende Mängel. So entzieht das Qualitätskonzept der Landesregierung den Seminaren eine entscheidende Aufgabe: Anders als vor der Reform sind sie nicht mehr für die Konzeptionsentwicklung der Fortbildungen zuständig. Diese liegt zukünftig beim ZSL. Die Seminare müssen sich künftig auf den operativen Bereich konzentrieren, d.h. sie sind primär für die Durchführung der Fortbildung zuständig; entsprechend werden den Seminaren höherwertige Stellen entzogen und dem ZSL übertragen. Das bedeutet konkret: Die Kultusministerin verzichtet auf zahlreiche erfahrene Praktiker an Schulen und Seminaren und deren langjährige Expertise bei der Entwicklung von Bildungskonzepten. Somit besteht die Gefahr, dass die Konzepte einseitig auf die Theorie ausgerichtet sind – zulasten der Praxistauglichkeit der Angebote. Dabei sollte ein effektives Qualitätsmanagement sich insbesondere an der Unterrichtspraxis ausrichten. Darüber hinaus droht auch ein ineffizientes System insgesamt zu entstehen. Denn die Regionalstellen des ZSL könnten eine übergeordnete Parallelstruktur zu den Seminaren bilden. Unklare Zuständigkeiten sind der Qualitätsentwicklung jedoch kaum dienlich. Ein funktionstüchtiges Bildungswesen ist schließlich auf eine effiziente Schulverwaltung angewiesen.
Wir fordern: Individuelle Bedürfnisse der Schulen berücksichtigen
Im Interesse der Praxistauglichkeit der Aus– und Fortbildung dürfen Konzeption und Operation nach Auffassung der FDP/DVP Fraktion nicht wie im Qualitätskonzept der Landesregierung voneinander getrennt werden. Statt auf eine zusätzliche zentrale Behörde zu setzen, sollte die Landesregierung besser auf die bewährte dezentrale Aufstellung unseres Bildungssystems setzen. An den Seminaren tätige Lehrkräfte müssen auch die Konzepte für Lehrerfortbildungen zumindest mitentwickeln, das ZSL sollte als Dach fungieren und die konzeptionelle Arbeit lediglich koordinieren. Denn: Wenn die Orientierung an der Praxistauglichkeit – wie im Qualitätskonzept der Landesregierung – ins Hintertreffen gerät, können auch die Bedürfnisse der Schulen nur schwer berücksichtigt werden. Wieso sollte eine Zentralbehörde festlegen und wissen, welche Fortbildung für eine Schule und die Lehrkräfte jeweils die passende ist? Wir als FDP/DVP Fraktion sind überzeugt: Es muss vor Ort, an den Schulen, entschieden werden, welche Fortbildung für die jeweilige Schule und die Lehrerinnen und Lehrer die passende ist. Nur dann erhalten wir ein Angebot an Fortbildungen, welche die Lehrkräfte im Alltag anwenden können und welche somit die Unterrichtsqualität steigern. Wir schlagen daher ein Fortbildungsbudget für alle Schulen vor, wie es bei den beruflichen Schulen bereits existiert. Damit können die Schulen aus einem breiten Fortbildungsangebot einer Vielzahl an Anbietern, auch auf dem freien Markt, wählen und die für ihre Lehrerinnen und Lehrer beste Fortbildung finanzieren. Ein Fortbildungsbudget wäre deshalb ein entscheidender Baustein zu einem Qualitätskonzept, das diesen Namen verdient.