Wir sprechen uns für einen schnellen und umfänglichen Ausbau und eine gute Einbindung der Gäubahn in den Knoten Stuttgart aus.
Wir stellen fest:
Die Gäubahn ist als „Magistrale“ zwischen Berlin und Italien eine wichtige Teil-Verkehrsachse Richtung Zürich, Gotthard und Mailand. Darüber hinaus ist sie die zentrale Verkehrsachse in Richtung Südbaden, zur bereits elektrifizierten Höllentalbahn, dem Anschluss der Breisgau-S-Bahn sowie der in Planung befindlichen, elektrifizierten Spange Villingen-Schwenningen/Rottweil. Damit erschließt die Gäubahn die Gesamtregion Südbaden vom Oberzentrum Villingen-Schwenningen, über die Tourismusregion Schwarzwald bis nach Freiburg im Breisgau. Die Gäubahn hat damit eine enorme strategische Bedeutung für das ganze Land. Zur Unterstützung der Ertüchtigung dieser Strecke wurde bereits im Jahr 1996 der Vertrag von Lugano („Vereinbarung zum grenzüberschreitenden Schienenverkehr“, u.a. Fahrtzeitverkürzungen) zwischen Deutschland und der Schweiz geschlossen, der vor kurzem novelliert worden ist. Die Schweiz hat in den letzten Jahren ihren Teil der Strecke umfassend modernisiert. Auf dem deutschen Teil der Strecke ist seit Ende der 1990er Jahre quasi nichts passiert.
Ein attraktives Nah- und Fernverkehrsangebot ist unerlässlich, das in Bezug auf Fahrzeiten, Komfort, Services und Zuverlässigkeit konkurrenzfähig ist und neben dem motorisierten Individualverkehr eine Maßnahme zum Klimaschutz bietet. An erster Stelle sind der Bund und sein Eisenbahninfrastrukturunternehmen (Deutschen Bahn Netz AG) für den Bau der Gäubahn verantwortlich. Dieser Ausbau ist seit Jahren im Bundesverkehrswegeplan 2030 verankert, ohne dass es nennenswerte Fortschritte gegeben hätte. Lediglich die Doppelspurinsel zwischen Horb und Neckarhausen rückt in greifbare Nähe.
Wir setzen uns seit Jahren für einen leistungsfähigen Ausbau der Gäubahn ein. Dabei geht es nicht nur um den Bau der seit Jahren versprochenen und im Bundesverkehrswegeplan verankerten Doppelspurinseln. Es geht auch um die Einhaltung des Vertrags von Lugano. Weitere Projekte wie die Konzeption des neuen langen Pfaffensteigtunnels zum Anschluss an den Landesflughafen Stuttgart, die Ergänzungsstation beim neuen Hauptbahnhof und vor allem die leistungsgerechte Anbindung des Südens des Landes über Singen und Böblingen sind ebenso relevant und diskussionswürdig, wie die völlig unzureichende Mobilfunksituation auf dieser viel zu lange vernachlässigten Eisenbahninfrastruktur.
Wir fordern daher:
- Die Planungen für den langen Pfaffensteigtunnel zwischen Vaihingen und Flughafen werden rasch vorangetrieben und die bisherigen Planungen zum Planfeststellungsabschnitt PFA 1.3b eingestellt. Die Entscheidung des Lenkungskreises zu Stuttgart 21 von Anfang Mai 2022 ist hierzu ein wichtiger Schritt. Planung und Bau müssen jetzt verbindlich finanziert und eine schnellstmögliche Realisierung sichergestellt werden.
- Der Pfaffensteigtunnel beschleunigt den Schienenverkehr. Er vermeidet zudem den ansonsten geplanten Mischverkehr zwischen S-Bahnen und übergeordnetem Verkehr auf den Fildern. Der weitere große Vorteil ist, dass die im Zuge der Realisierung des PFA 1.3b erfolgende umfängliche Kappung des S-Bahn-Verkehrs zwischen Vaihingen und dem Flughafen sowie den Folgestationen entfällt. Ein neues Notfallkonzept für den S-Bahn-Verkehr ist vorzulegen.
- Sämtliche Beschleunigungsmöglichkeiten sind zu nutzen, um den Zeitpunkt der direkten Unterbrechung der Gäubahn an den neuen Tiefbahnhof zu minimieren. Wir fordern ein Konzept für den mehrjährigen Zeitraum zwischen der Inbetriebnahme des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs und der Inbetriebnahme der Anbindung der Gäubahn über den Filderbereich zum neuen Stuttgarter Hauptbahnhof. Eine jahrelange Unterbrechung der Strecke durch einen Umsteigehalt in Vaihingen macht die Strecke für den ICE/IC-Fernverkehr noch unattraktiver und ist absolut inakzeptabel. Demgegenüber muss die Panoramabahn als Überbrückung für die Bauphase genutzt werden.
- Die Anbindung von Böblingen und Singen an den Fernverkehr Stuttgart – Zürich ist unerlässlich. Es ist nicht zielführend, die Fernverkehrszüge nicht mehr nach Singen Hbf., sondern über die Singener Kurve bzw. Landesgartenschau Singen und ohne Halt in Böblingen zu führen.
- Der ICE-Halt Böblingen wird der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung sowie des Siedlungsumfangs des Raums Böblingen/Sindelfingen gerecht. Böblingen ist der wirtschaftsstärkste Landkreis in der Region und im Land. In Böblingen gibt es ein tägliches Fahrgastaufkommen von ca. 40.000 Personen. Die Besucher der namhaften Firmen mit Sitz im Landkreis Böblingen brauchen eine attraktive Anbindung.
- Der Halt der Gäubahn im Hauptbahnhof Singen und damit ein direkter Anschluss der Gäubahn an das Fernverkehrsnetz über den Flughafenbahnhof ist dringend erforderlich. Ein Halt Singen Landesgartenschau mit Umstieg ist nicht attraktiv. Die Singener Kurve war in den bisherigen Planungen nur für Güterzüge gedacht. Sie soll nicht für Personenzüge genutzt werden.
- Die Anbindung des Südens von Baden-Württemberg über eine umsteigefreie Verbindung über die Gäubahn muss erfolgen. Über die ICE/IC-Verbindung auf der Gäu-Neckar-Bodenseebahn werden ca. zwei Millionen Einwohner im Süden Baden-Württembergs an die Region Stuttgart angebunden und über den Hbf. Stuttgart an das ICE-Netz angebunden.
- Die teilweise Eingleisigkeit des Streckenabschnitts stellt ein großes Problem dar, ist aber historisch bedingt (Demontage des 2. Gleises während der französischen Besatzung). Ein zweigleisiger Ausbau wird u.a. deshalb schwierig, weil sich das Gleis in der Mitte des Damms befindet und es zunächst komplett abgebaut werden müsste. Da dies eine Streckensperrung über viele Jahre nach sich ziehen würde, sind die Pläne durch verschiedene Doppelspurinseln zwischen Horb und Singen die Verspätungsanfälligkeit zu beseitigen und dadurch sowohl Kapazität und Reisegeschwindigkeit der Strecke zu verbessern, weiter zu verfolgen.
- Andererseits soll das Ziel der Zweigleisigkeit nicht aufgegeben werden. Durch temporäre Sperrungen und im Rahmen von Teilstrecken ist ein zweigleisiger Ausbau langfristig möglich. Bei solchen kurzen Streckensperrungen wäre die Belastung der Passagiere überschaubar.
- Wir fordern eine genaue Prüfung, ob die Entwicklung des Schienenfern- und -regionalverkehrs mit der jetzt im Bau befindlichen Infrastruktur zu bewältigen ist.
- Eine Ergänzungsstation vor dem neuen Tiefbahnhof in Stuttgart kommt für uns nur in Betracht, wenn es einen verkehrlichen Bedarf gibt, die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme nachgewiesen ist, die Finanzierung gesichert ist sowie der Konsens mit der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Verband Region Stuttgart hergestellt ist.
- Wir treten für leistungsfähige Zulaufstrecken zum neuen Tiefbahnhof ein. Die verschiedenen Möglichkeiten den Nordzulauf auszubauen sind zu prüfen (P-Option: Anbindung des Cannstatter Tunnels an die Nah- und Ferngleise aus Richtung Feuerbach; T-Spange: Anbindung Panoramabahn in Richtung Feuerbach und Bad Cannstatt in Richtung Feuerbach; Bau eines neuen Tunnels im Nordzulauf auf Stuttgart zwischen Möglingen und Stammheim westlich BAN A81).
- Die Ausbauoptionen sind schnellstmöglich zu nutzen, um wachsende Verkehre aufnehmen zu können und Tangentiallinien zu führen. Nicht jeder Fahrgast hat den Hauptbahnhof als Endziel.
- Die Weiternutzung der Panoramabahn soll auch nach der vollständigen Inbetriebnahme von Stuttgart 21 erfolgen. Sie dient insoweit als ergänzende Infrastruktur für den Knoten Stuttgart, als dass es verkehrlich zielführend und städtebaulich vereinbar ist.
- Auch die Panoramabahn leistet einen Beitrag für die leistungsfähige Einbindung der Gäubahn in den Zulauf zum neuen Tiefbahnhof. Es gibt andere Möglichkeiten als sie nur in einen neuen Ergänzungsbahnhof einzubinden. Auch hier ist ein Konsens mit den Beschlusslagen von Stadt und Region unabdingbar.