Berroth: Land hat Nachholbedarf bei Identifizierung
Selbstverpflichtung in Washington vor über zehn Jahren unterzeichnet – „Baden-Württemberg setzt die eingegangene Selbstverpflichtung, Kunstwerke, die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmt wurden, in den eigenen Museen, Archiven und Bibliotheken zu identifizieren, unzureichend um“, kritisierte die kunst- und kulturpolitische Sprecherin der FDP/DVP-Landtagsfraktion, Heiderose Berroth. „Während andere Museen in der Bundesrepublik mittlerweile eigene Stellen geschaffen und Mittel bereitgestellt haben, um die vor über zehn Jahren eingegangene Selbstverpflichtung zu erfüllen, ist in Baden-Württemberg bisher kaum etwas geschehen. Das muss sich ändern.“
Auf eine parlamentarische Anfrage von Heiderose Berroth (Drucksache 14/3811) erklärte jetzt das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dass man in den letzten zehn Jahren die staatlichen Museen regelmäßig auf die Verpflichtung aufmerksam gemacht habe. Die positive Nachricht ist für Berroth, dass mit dem Landeshaushalt 2009 erstmals ein Betrag von jeweils 30.000 Euro an die Staatsgalerie Stuttgart, die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, das Badischen Landesmuseum Karlsruhe und das Landesmuseum Württemberg gehen soll, um dort Nachforschungen über die Herkunft strittiger Museumsbestände (Provenienzrecherche) anstellen zu können.Berroth sieht allerdings weitergehenden Handlungsbedarf: „Die Landesbibliotheken und Landesarchive profitieren von der gewährten finanziellen Ausstattung offensichtlich nicht, obwohl diese genauso in den Geltungsbereich der so genannten „Washingtoner Erklärung“ fallen wie Museen – das ist für mich nicht nachvollziehbar.“ Zumindest sei sicherzustellen, dass die nun erstmals gewährten Mittel verstetigt und nicht zweckentfremdet würden. Ein künftig stärkeres Engagement des Ministeriums sei wünschenswert. „Je früher Institutionen gefährdete Bestände selbst erkennen, desto eher kann in Verhandlungen mit den rechtmäßigen Eigentümern ein Verbleib in baden-württembergischen Sammlungen erreicht werden“, sagte Berroth.Nach Auskunft der Landesregierung wurden in den letzten zehn Jahren vom Land drei als NS-Raubkunst qualifizierte Gemälde an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben. Über die Rückgabe aus kommunalen Museen, Archiven und Bibliotheken lägen keine Erkenntnisse vor. Zurzeit kämpft die Stadt Freiburg um den Verbleib des Dix-Gemäldes „Max John“ im Museum für Neue Kunst der Stadt, auf das Rückgabeansprüche geltend gemacht wurden.Info: Die sogenannte „Washingtoner Erklärung“ vom 3. Dezember 1998 ist eine die Unterzeichnerstaaten rechtlich nicht bindende Übereinkunft, um die während der Zeit des Natio-nalsozialismus beschlagnahmten Kunstwerke zu identifizieren, deren Vorkriegseigentümer oder deren Erben ausfindig zu machen und eine „gerechte und faire Lösung“ zu finden.Am 14. Dezember 1999 folgte Deutschland dieser Selbstverpflichtung mit der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ und der „Handreichung zur Umsetzung der Washingtoner Erklärung“. Alle öffentlichen deutschen Museen, Archive und Bibliotheken sollen zur Auffindung „NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter“ beitragen. Dazu müssen die Besitzverhältnisse für den Zeitraum von 1933 bis 1945 überprüft werden, soweit ein Anfangsverdacht gegeben ist. Für diesen führen die „Handreichungen“ umfangreiche Hinweise auf Merkmale an. Die überprüften Informationen sollen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste weitergegeben und in deren Internet-Webseite „LostArt.de“ veröffentlicht werden. Unter dieser Adresse sind auch Suchanträge aus dem Ausland einzugeben.