Pressemitteilung

11.Juli 2007

Berroth: Wir brauchen wirksame Regelungen zur Schuldenbegrenzung und Schuldenabbau

Mit Einführung eines neuen Haushaltsrechts würde Glaubwürdigkeit des Landes gestärkt – Die stellvertretende Vorsitzende der FDP/DVP-Landtagsfraktion, Heiderose Berroth, hat auf einer Landespressekonferenz Vorschläge zu „Verfassungsrechtlichen Regelungen zur Schuldenbegrenzung und zum Schuldenabbau in Baden-Württemberg“ dargelegt. Nach den Worten der finanzpolitischen Sprecherin „müssen aufgrund der übermäßigen Staatsverschuldung dringend wirksame Regelungen getroffen werden“.

Die Kreditmarktschulden der öffentlichen Haushalte Insgesamt liegen zum Jahresende 2006 bei 1,48 Billionen € (17.975 €/Einwohner), davon entfallen auf den Bund 917 Mrd. €, auf die Länder 479 Mrd. € und auf die Kommunen 85 Mrd. €.Die Kreditmarktschulden des Landes Baden-Württemberg belaufen sich auf 41,07 Mrd. € (3.824 €/Einwohner), die der baden-württembergischen Kommu-nen auf 7,04 Mrd. € (655 €/Einwohner).Die bisher in Bund und Ländern geltenden Regelungen der Verschuldungs-obergrenzen taugen nicht, sondern führen quasi automatisch zu ständiger Höherverschuldung.Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem am Montag veröffentlichten Urteil zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Bundeshaushalts 2004 in aller Deutlichkeit festgestellt:„Die dynamisch angewachsene Verschuldung in Bund und Ländern hat gegenwärtig bereits einen verbreitet als bedrohlich bewerteten Stand erreicht. Das Regelungskonzept des Art. 115 Abs. 1 Satz 2 GG hat sich als verfassungsrechtliches Instrument rationaler Steuerung und Begrenzung staatlicher Schuldenpolitik in der Realität nicht als wirksam erwiesen.Eine übermäßige Staatsverschuldung und die damit verbundene wachsende Zinslast hemmen das langfristige Wachstum der Wirtschaft, verengen die aktuellen Hand-lungsspielräume des Staates und verlagern Finanzierungslasten in die Zukunft auf künftige Generationen. Vieles spricht deshalb dafür, die gegenwärtige Fassung des Art. 115 GG in ihrer Funktion als Konkretisierung der allgemeinen Verfassungsprinzipien des demokratischen Rechtsstaats für den speziellen Bereich der Kreditfinanzie-rung staatlicher Ausgaben nicht mehr als angemessen zu werten und verbesserte Grundlagen für wirksame Instrumente zum Schutz gegen eine Erosion gegenwärtiger und künftiger Leistungsfähigkeit des demokratischen Rechts- und Sozialstaats zu schaffen.“Deshalb müssen dringend wirksame Regelungen zur Schuldenbegrenzung und zum Schuldenabbau getroffen werden (Verfassung und Einzelgesetze).Die FDP/DVP schlägt für Baden-Württemberg vor:1. Der Grundsatz dass „der Haushaltsplan regelmäßig ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichen werden soll“, der mit dem HH-Struktur¬gesetz 2007 bereits in § 18 Abs. 1 LHO (gegenwärtig noch mit Wirkung ab dem 1.1.2011) verankert wurde, ist entsprechend auch in Art. 84 der Landesverfassung aufzunehmen.Anmerkung: – Verstärkte Selbstbindung des Gesetzgebers; Änderungen der LHO könnten mit Mehrheit (z.B. im Rahmen eines Staatshaushaltsgesetzes oder eines Haushaltsstrukturgesetzes) beschlossen werden; Änderungen der Verfassung erfordern eine 2/3-Mehrheit. –Anmerkung: – Bei konsequenter Umsetzung der Null-Neuverschuldung sinkt der Anteil der Staatsverschuldung am Bruttoinlandsprodukt. Beispiel: Die Schulden des Landes und der Kommunen machen (Stand 31.12.2005) 14% des baden-württembergischen Bruttoinlandsprodukts aus. Wächst das BIP jah-resdurchschnittlich um nominal 3% (1,5% reales Wachstum, 1,5% Inflation), während die Verschuldung nicht anwächst, sinkt der Anteil der Schulden des Landes am BIP innerhalb von 6 Jahren auf 11,7%. Auf die anderen Länder und den Bund übertragen, könnte in diesem Zeitraum ein Absinken des Anteils der öffentlichen Gesamtverschuldung am Bruttoinlandsprodukt der Bundesre-publik Deutschland von heute 68 auf 60% (Maastricht-Kriterium) erreicht wer-den.2. Es kann weiterhin Fälle geben, in denen aufgrund der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ausnahmsweise eine Kreditaufnahme erforderlich wird (Ausnahmeregelung nach § 18 Absatz 2 Satz 1 LHO). Auch die-se Ausnahmeregelung aber ist zu verschärfen: Sollte in besonderen Fällen doch ein Kredit nötig werden, sind bei der Berechnung der absoluten Kredit-obergrenze Abschreibungen und Vermögensveräußerungen von den Brutto-investitionen abzuziehen. Doppelzählungen von Investitionszuweisungen zwischen staatlichen Ebenen sind zu vermeiden.Anmerkung: – Die Verschärfung der bestehenden Ausnahmeregelung der LHO, wonach Kredite dann nur noch im Ausmaß des realen Vermögenszuwachses aufgenommen werden können, führt dazu, dass auch in diesem Fall kein schleichender Vermögensverzehr und damit keine Verlagerung von Finan-zierungslasten in die Zukunft stattfinden kann. – Anmerkung: – Besser als die Inanspruchnahme dieser Ausnahmeregelung wäre es, in Zeiten einer über die Erwartungen hinausgehenden Entwicklung der Steuereinnahmen eine Art Konjunkturausgleichsrücklage zu bilden, die bei deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben Steuereinnahmen zum Aus-gleich des laufenden Haushalts in Anspruch genommen werden könnte. 3. Kreditaufnahme über das Maß der Investitionen hinaus (§ 18 Abs. 2, Satz 2 LHO) wird auf Fälle von Katastrophen und wirtschaftlichen Rezessionen be-schränkt und muss gekoppelt sein mit Vorschriften über die baldige Rückführung dieser Verschuldung.Anmerkung: – Für Katastrophenfälle und gravierende Rezessionen sind dar-über hinausgehende Ausnahmeregelungen weiterhin erforderlich. Sie sind a-ber – anders als heute der Fall – mit Rückführungsregelungen zu verbinden. Über diese Einschränkung hinaus ist zu erwägen, für eine die Nettoinvestitio-nen überschreitende Kreditaufnahme eine 2/3-Mehrheit des Gesetzgebers vor-zusehen. -4. Beide Ausnahmeregelungen sind ebenfalls in Art. 84 der Landesverfassung zu verankern.Anmerkung: – Auch hier: Verstärkte Selbstbindung des Gesetzgebers durch Verbauen der Möglichkeit, Ausnahmeregelungen vom Verschuldungsverbot mit einfacher Mehrheit zu ändern. – 5. Es muss sichergestellt werden, dass diese Vorschriften nicht über staatliche Ei-genbetriebe oder staatliche Gesellschaften privaten Rechts umgangen werden können.Anmerkung: – Ein Verschuldungsverbot wäre nicht konsequent umgesetzt, wenn es durch die Verlagerung auf Eigenbetriebe oder staatliche GmbHs je-derzeit umgangen werden könnte. -6. Diese sofort wirksamen Verschuldungsregeln sind mittelfristig durch ein neues Haushaltsrecht zu unterfüttern. Dieses ersetzt – analog zum laufenden Prozess der Reform des kommunalen Haushaltsrechts – das bisher zahlungsorientierte durch ein ressourcenorientiertes staatliches Rechnungswesen. Dabei wird zusätzlich zu den Zahlungsvorgängen auch der nicht zahlungswirksame Vermö-gensverzehr erfasst (insbesondere Abschreibungen und Rückstellungen).Damit wird das Prinzip der intergenerativen Gerechtigkeit nachprüfbar: Jede Generation soll die von ihr verbrauchten Ressourcen mittels Entgelten und Abgaben ersetzen, künftige Generationen damit nicht belastet werden.7. Mit der Einführung dieses an der Doppik orientierten Haushaltsrechts auch für das Land Baden-Württemberg wird die Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit gestärkt für die Veränderungen, die das Land den Kommunen mit dem neuen kommunalen Haushaltsrecht abverlangt.

Weitere Pressemitteilungen zum Thema