Rülke: Vom Paulus zum Saulus
Die Koalition der Schuldenbremse wird zur Koalition des Schuldenturbos.
An den Beginn seiner Ausführungen anlässlich der Einbringung des Nachtragshaushaltes durch die Regierung aus Grünen und CDU stellte der Vorsitzende der FDP/DVP Fraktion, Dr. Hans-Ulrich Rülke, die Analyse über die „erstaunliche Wandlung des Ministerpräsidenten vom Schuldenpaulus zum Schuldensaulus“.
Dazu zitierte er einen Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 6. Juli: „Dazu muss man wissen, dass der Ministerpräsident zu Oppositionszeiten die Schuldenbremse mit einer Inbrunst propagierte, als bekäme er für jede Nennung des Wortes ‚Schuldenbremse‘ einen Monat Rabatt im Fegefeuer (…) Doch lässt sich feststellen, dass Kretschmann im Amt des Ministerpräsidenten beim Geldausgeben erhebliche Kreativität entwickelt (…) Die Schuldenlast des Landes steigt im Etat 2020/21 um ein sattes Drittel: von 45 auf 60 Milliarden Euro. Ob gute Zeiten oder schlechte Zeiten: Kretschmann hat Geld wie Heu. Er legt Programme auf und bläht den Stellenplan auf, das Wort Sparen ist ihm nicht mehr geläufig.“
Rülke direkt an Kretschmann: „Herr Ministerpräsident, von Johann Peter Hebel stammt das Wort: ‚Nicht selten wird der jugendliche Verschwender noch ein geiziger Greis.‘ Bei Ihnen ist es offensichtlich umgekehrt!“
Der Vorsitzende der liberalen Landtagsfraktion erinnerte an die Aussage seines Kollegen von den Grünen, Andreas Schwarz, als dieser von einem „schlanken Nachtrag“ sprach. Dem widersprächen die Zahlen aber deutlich. So sei ein zusätzliches Ausgabenvolumen von 2,5 Milliarden Euro vorgesehen, wovon 50 Prozent aus Schuldenaufnahme kommen sollen. Dies alles vor dem Hintergrund von fast 14 Milliarden neuer Schulden im Jahre 2020 und 657 Millionen zusätzlicher Steuereinnahmen. Laut Steuer-Jahresendrechnung nahm das Land im Jahr 2020 1,22 Milliarden mehr ein als ursprünglich eingeplant. Der eigentliche Abschluss des vergangenen Jahres soll aber erst Ende Juli vorliegen. Rülkes Verdacht: „Das läuft doch darauf hinaus, als Landesregierung unter dem Vorwand ‚Corona‘ jetzt Rücklagen für den Haushalt 2022 bilden zu können, um dann so zu tun, als ob man die Schuldenbremse einhalte.“ Der tatsächliche momentane Kassenbestand sei unbekannt, stellte Rülke fest, erinnerte aber gleichzeitig daran, dass dieser zum Jahreswechsel 2018/2019 insgesamt 8,1 Milliarden Euro betragen hatte. Somit seien zwischen den Jahren 2011 und 2018 die sichtbar gewordenen Haushaltsreste von 1,6 auf 5,6 Milliarden gestiegen.
Was bisher aus dem Entwurf zum Haushalt 2022 bekannt geworden sei, bestätige nach Angaben Rülkes diesen Verdacht: Da werde von einer Deckungslücke von rund 4,3 Milliarden Euro ausgegangen. Davon seien gut 1,4 Milliarden mit Konjunkturhoffnungen und 250 Millionen durch Einsparungen zu decken; der Löwenanteil aber, nämlich 2,6 Milliarden, durch Haushaltsreste und nicht genutzte Verschuldungsreste aus dem vorangegangenen Haushalt. Damit werde die Trickserei dieser Landesregierung offenbar, so Rülkes Feststellung: Man verschafft sich durch einen Nachtrag 1,2 Milliarden neue Verschuldungsrechte, die man gar nicht braucht, um den nächsten Haushalt so zu frisieren, als sei er schuldenfrei.
Dies widerspräche ganz klar den Prinzipien von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit. Milliardenspielräume würden da mittlerweile von der Landesregierung verschleiert, die sich damit einen Handlungsspielraum in beachtlicher zweistelliger Milliardenhöhe sichere und dennoch immer neue Schulden mache. „Da reden Sie, Herr Schwarz, von einem schlanken Nachtrag?“, so Rülke an die Adresse seines Kollegen, „offenbar sind Sie beim trickreichen und wendigen französischen Außenminister Talleyrand in die Lehre gegangen, der einst sagte: ‚Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen.‘“
Er frage sich, wo eigentlich Finanzminister Bayaz bei der Aufstellung dieses Nachtrags gewesen sei: „Wo ist seine Handschrift? Wo waren die Chefgespräche mit Einsparungen? Wo ist der Sparwillen des Kassenwarts? Dieser Finanzminister ist lediglich der Notar der Verschwendungssucht der Regierung und der Verschwender in den Regierungsfraktionen!“, so Rülke
Rülke benannte konkrete Kritikpunkte im Einzelnen: So sei mit dem Ministerium für „Landesentwicklung und Wohnen“ ein unnötiges weiteres Ressort geschaffen worden, gewissermaßen eine Abteilung eines zuvor schon überflüssigen Wirtschaftsministeriums. „Das Land bräuchte im Gegenteil ein starkes Wirtschaftsministerium mit der konzentrierten Zuständigkeit für Bauen, Infrastruktur und Verkehr“, forderte Rülke. Dann könne man kostenneutral ein Digitalisierungsministerium schaffen und das Verkehrsministerium schließen.
Außerdem sei eine Inflation von Staatssekretären sei zu beobachten, so Rülke. Während beim Monster Hydra aus der griechischen Mythologie zwei Köpfe nachgewachsen seien, wenn man einen abschlug, hätte Kretschmann nun die „Staatssekretärs-Mega-Hydra“ erfunden. Da wüchsen mindestens vier für einen. Nur so lasse sich erklären, dass aus vier Staatssekretären im Jahr 2011 nun 16 im Jahr 2021 wurden. Und weil diese Regierung auf dem Ersten Arbeitsmarkt gar nicht genügend Arbeitssuchende fände, die Staatssekretär werden könnten, würden im Innenministerium massenhaft Rentner reaktiviert und zu Staatssekretären gemacht, wie Rülke feststellte: „Da hat Herr Strobl im Innenministerium einen Staatssekretärs-Volkssturm aufgestellt!“
„Sie sind mittlerweile Deutscher Meister bei den Staatssekretären“, so Rülke an die Adresse des Ministerpräsidenten: „Ob Politische, mit Beamtenrang, mit Kabinettsrang, ohne Kabinettsrang: Ihr gesamter Gestaltungswillen erschöpft sich in der Kreation von Staatssekretären!“ Alleine diese Zusatzposten verursachten dem Steuerzahler pro Jahr eine Million Euro Kosten zusätzlich. Dazu kämen Kosten für Referenten, Fahrer und Sekretariate. So entstünden alleine sechs neue Stellen mit großzügiger B-Besoldung im kreuzunnötigen Bauministerium.
Insgesamt, rechnete Rülke vor, beliefen sich die Kosten für die Bildung dieser Regierung aus Grünen und CDU auf ein Plus von acht Millionen Euro im Jahr – alleine an Besoldungen und Gehältern.
Und wenn es bei dieser Landesregierung tatsächlich mal ums Sparen ginge, dann wende man den Trick mit den Regierungsbeauftragten an. Dieser funktioniere so, dass man der Öffentlichkeit zunächst erzähle, man spare diese ein, um sie dann alsbald über die Hintertüre wieder hereinzulassen. „Sie, Herr Kretschmann, haben öffentlich zugegeben, dass das eigentlich nicht im Sinne des Erfinders sei“, so Rülke, „es stellt sich nach dieser Aussage nur die Frage: was haben Sie dann dagegen unternommen?“
Diese Landesregierung betreibe Haushaltspolitik auf dem Niveau von Enkeltrick-Betrügern, so Rülke. Eigentlich müssten der Bund der Steuerzahler und der Rechnungshof davor warnen.
So sei es mit Betrügern, die alte Leute anrufen, vor Einbrechern warnen und ihren Opfern weismachten, sie sollten alle Wertsachen in eine Tasche tun und jemandem zuwerfen, der unten auf der Straße steht. Der bringe dann die Wertsachen in Sicherheit. „Ähnlich plump führen Sie die Menschen in diesem Land hinters Licht!“, so Rülke und fasst abschließend zusammen:
„Die Neuverschuldung dieses vorgelegten Haushalts ist grob überflüssig und unverantwortlich. Deshalb lehnen wir sie und damit diesen Nachtragshaushalt insgesamt ab.“