Kern: Ein echter Schulfrieden ist nur durch mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort zu erreichen
„Der Kultusminister hat heute eine große Chance vertan. Er hätte als erster Kultusminister in die Geschichte Baden-Württembergs eingehen können, der in der Bildungspolitik mit den anderen politischen Fraktionen zu einer überparteilichen Übereinkunft gekommen ist. Dazu fehlte ihm offensichtlich der Mut.“ Dies sagte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Timm Kern, in einer Aktuellen Debatte über die Bildungspolitik.
Kern sagte weiter: „Die Menschen in Baden-Württemberg wünschen sich einen Schulfrieden. Die FDP-Landtagsfraktion nimmt die Menschen in unserem Land ernst und hat deshalb am 1. Oktober dieses Jahres als bisher einzige politische Kraft im Land ein konkretes, detailliertes Bildungskonzept vorgelegt. Die öffentlichen Reaktionen waren bemerkenswert: Unter anderem die Arbeitgeber, das Handwerk, viele Schulleiter, Eltern, Lehrer und Schüler haben uns zurückgemeldet, dass sie nicht nur den Vorstoß der FDP im Allgemeinen unterstützen, sondern auch von allen politischen Kräften im Land einen aktiven Einsatz für einen Schulfrieden erwarten.
Und wie gehen die Grünen nun mit diesem Appell aus der breiten Bevölkerung an die Politik um? Sie beantragen eine Aktuelle Debatte zur Bildungspolitik, jedoch nicht um die Chancen auf einen Schulfrieden behutsam auszuloten, sondern um parteipolitisch auf der Union herumzuhacken. Der von den Grünen gewählte Titel für die Aktuelle Debatte spricht Bände: ‚Wie denn? Wo denn? Was denn? Die Widersprüche der CDU in der Bildungspolitik‘.
Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir in Baden-Württemberg in der Bildungspolitik stehen, ist das heutige Verhalten der Grünen-Fraktion geradezu erbärmlich. Sie wird ihrer Verantwortung als Regierungspartei nicht im Mindesten gerecht. Die Grünen-Abgeordnete Sandra Boser hatte in der letzten Aktuellen Debatte zu diesem Thema erklärt, dass die Grünen den Begriff des Schulfriedens ablehnen würden, weil es hier nicht um Krieg gehe. Stattdessen würden sie den Begriff ‚Schulkonsens‘ bevorzugen. Die ernsthaften Bemühungen der Grünen um einen Schulkonsens mit der CDU waren heute in diesem Hause mit Händen zu greifen.
Und was macht in dieser Situation die SPD? Sie stellt schließlich den Kultusminister. Die SPD tut das, was sie augenscheinlich am besten kann, nämlich nichts. Nachdem die FDP ihr Schulkonzept für einen Schulfrieden vorgelegt hatte, lobte uns der baden-württembergische SPD-Vorsitzende Nils Schmid ganz ausdrücklich. Es sei begrüßenswert, dass die FDP einen konkreten Vorschlag gemacht habe. Und auch der bildungspolitische Sprecher der SPD, Dr. Fulst-Blei lobte die FDP grundsätzlich für ihr Papier. Sogar der Kultusminister höchstpersönlich lobte in einer Pressemitteilung den politischen Vorstoß der FDP und konstatierte, die FDP zeige sie sich jetzt mit ihrem Impulspapier für eine überparteiliche Verständigung in wichtigen Punkten pragmatisch.
Heute auf den Tag genau vor fünf Wochen haben wir unser Papier vorgelegt. Aber trotz vollmundiger Bekenntnisse über die Wichtigkeit eines Schulfriedens haben weder Grüne noch SPD bisher irgendetwas Konkretes initiiert oder gar vorgelegt. Nach Auffassung der FDP-Fraktion trägt aber Kultusminister Stoch die Hauptverantwortung dafür, ob es in Baden-Württemberg nun zu konkreten Verhandlungen über einen Schulfrieden kommt. Wenn Herr Stoch wirklich ein ehrliches Interesse an einem überparteilichen Schulfrieden hat, dann muss er die Initiative ergreifen.“
Timm Kern richte folgende drei Fragen an den Kultusminister:
„1. Wenn Ihnen wirklich an einem Schulfrieden gelegen ist, warum gehen Sie nicht mutig voran und laden zu entsprechenden Gesprächen ins Kultusministerium ein?
- Wenn Ihnen wirklich an einem Schulfrieden gelegen ist, warum entlassen Sie dann die Gemeinschaftsschulen im Land nicht in die Freiheit und gestatten ihnen, leistungsorientierte Kurse einzurichten? Dies wäre nur ein kleiner Schritt für Sie, aber ein großer Schritt in Richtung Schulfrieden.
- Wenn Ihnen wirklich an einem Schulfrieden gelegen ist, warum laden Sie dann nicht zu Gesprächen über ein überparteiliches Inklusionskonzept ein? Gerade in diesem Politikbereich verbietet sich doch parteipolitische Ideologie und CDU, SPD und FDP liegen mit ihren Vorstellungen sehr nahe beieinander.“
Kern bedauerte, dass der Kultusminister die Antworten auf die Fragen der FDP-Fraktion schuldig blieb. „Einen Schulfrieden kann es nur geben, wenn den Verantwortlichen vor Ort wesentlich mehr Entscheidungsfreiheit in der Bildung übertragen wird. Hierfür sind aber offensichtlich weder CDU noch Grüne noch SPD in diesem Land bereit. Ohne Positionswechsel bei der grün-roten Koalition ist in Baden-Württemberg einen Schulfrieden auch deshalb nicht realistisch, weil es mit ihrem starren Zwei-Säulen-Modell vor Ort keinen Schulfrieden geben kann. Denn mit einem inflexiblen Strukturmodell von oben wird ein Schulfrieden vor Ort geradezu erstickt. Es ist für die FDP-Fraktion unverzichtbar, dass die Verantwortlichen vor Ort auch über die entsprechende Freiheit verfügen, über die Struktur ihrer Schule selbst zu entscheiden. Wer im Landtag von Baden-Württemberg einen Schulfrieden will, der muss bereit sein, parteipolitischen Einfluss auf die Bildungspolitik zurückzunehmen und im gleichen Zug den Verantwortlichen mehr Entscheidungsfreiheit zu gewähren.
Die Debatte hat leider gezeigt, dass weder die grün-rote Koalition noch der Kultusminister bislang zu diesem Verzicht auf parteipolitische Einflussnahme auf die Bildungspolitik vor Ort bereit sind.
Unabhängig davon halten wir Liberale das Gesprächsangebot an die anderen Parteien aufrecht. Nach jetzigem Diskussionsstand scheint es aber, dass es mit diesem Kultusminister in Baden-Württemberg leider keine Aussicht auf einen Schulfrieden geben wird.“